Adresse
Columbiadamm 34
10965 Berlin-Tempelhof
Industriekultur erleben
Eisenbahn- und Straßentunnel
Vernetzung mit städtischem Verkehr | Zwangsarbeit
Bevor irgendein Gebäude des neuen Flughafens Tempelhof entsteht, wird die Großbaustelle 1936 mit Straßen und einer Eisenbahntrasse erschlossen, um Baumaterial anliefern zu können. Die Gleise gehen vom Güterbahnhof Hermannstraße an der Ringbahn ab und folgen dem Columbiadamm nach Westen. Ein Gleis verläuft auf dem späteren Vorfeld. Züge liefern hierüber beispielsweise die gigantischen Stahlbinder für die freitragenden Hangars.
Das zweite Gleis ist fester Bestandteil des künftigen Flughafens. Es folgt der gekrümmten Flughalle und taucht unter der Abfertigungshalle in einen 400 Meter langen Eisenbahn- und Straßentunnel ein. Dort unten soll der Tunnel die zentrale Frachthalle mit den seitlich angrenzenden Post- und Frachtenhöfen für den Flugbetrieb erschließen. Um Luftpost und Frachtgut so effizient wie möglich zu bewegen, bilden Güterwagen, Frachthalle und Rollfeld eine Ebene. Über die im Tunnel integrierte Fahrstraße erreichen auch Lastwagen die beiden Post- und Frachtenhöfe, um Luftfracht zu liefern und aufzunehmen. Aber dazu kommt es nie.
Nach Kriegsbeginn nutzt das NS-Regime den Eisenbahn- und Straßentunnel zunächst als Lagerraum. Im Sommer 1944 verlegt die am alten Flughafengebäude ansässige Weser Flugzeugbau GmbH ihre Rüstungsproduktion in den geschützten Tunnel. Mindestens 2.400 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter fertigen und reparieren hier das Jagdflugzeug Focke-Wulf 190 und den berüchtigten „Sturzkampfbomber“ Ju 87. Die „Weserflug“ und die „Luft Hansa“ beuten hier verschleppte Zivilisten aus den besetzten Gebieten Europas aus, darunter auch Juden, bevor diese in Konzentrationslager deportiert werden.
Von der unterirdischen Rüstungsproduktion zeugt bis heute die Kranbahn an der Tunneldecke. Luftfracht wird im Eisenbahn- und Straßentunnel nie umgeschlagen, stattdessen liefern hier Kesselwagen bis in die 1980er-Jahre das Schweröl für das flughafeneigene Heizkraftwerk.