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Industriekultur erleben
Treidellok
Schiffe im Schlepptau
Wie sollen sich die Schiffe im Teltowkanal eigentlich fortbewegen? Das ist keine leichte Frage für die Ingenieure, denn die finanziellen Mittel des Landkreises reichen Anfang des 20. Jahrhunderts nicht aus, um die Kanalufer so auszubauen, dass sie dem Wellenschlag von selbstfahrenden Dampfschiffen standhalten. Alle technischen Anforderungen der Teltowkanal-Bauverwaltung erfüllt schließlich ein Vorschlag der Firma Siemens & Halske: eine elektrische Version des uralten Treidelns.
Schon die Römer treideln auf dem Rhein. Menschen oder Tiere ziehen damals von einem „Leinpfad“ am Ufer aus Schiffe an einer Treidelleine gegen die Strömung. Erst im Jahr 1873 kommt eine dampfgetriebene Treidellokomotive in Frankreich zum Einsatz. Zwischen 1898 und 1901 erprobt die Firma Siemens die erste elektrische Treidellok am Finowkanal. Am Teltowkanal geht im Juni 1906 ein Fuhrpark von 20 Treidelloks an den Start. Der erfolgreiche elektrische Betrieb liefert die technische Blaupause für den Schleppverkehr auf dem 1914 eröffneten Panamakanal.
Damit eine 7,5 Tonnen schwere Treidellok vom Zug des Schleppseils nicht in den Teltowkanal gerissen wird, konzipieren die Siemens-Ingenieure die Bauweise der Lok asymmetrisch. Alle schweren Bauteile befinden sich deshalb auf der Landseite der Lok. Zusätzlich ist das wasserseitige Gleis zwei bis drei Zentimeter höher verlegt. Damit ist die Lok davor geschützt, in den Teltow-Kanal zu kippen.
Mit ihrem 8 PS-Elektromotor bewegt eine Lok zwei Kähne mit 4 km/h durch den Kanal. Kommt ein ankerndes Schiff in den Weg des gespannten Schleppseils, hebt der Lokführer das Seil mit dem Treidelmast darüber hinweg. Einfahrten in Hafenbecken und Zweigkanäle, die die Treidelgleise (den Leinpfad) unterbrechen, überfahren die Loks auf sogenannten Leinpfadbrücken. Über solche Brücken wechseln die Loks am Kanalende außerdem die Uferseite, übernehmen den nächsten Schleppverband oder kehren in ihr Depot auf dem Betriebshof Schönow zurück. In der Hochzeit am Ende der 1930er-Jahre verkehren saisonabhängig drei bis fünf Schleppzüge täglich in beide Richtungen.
Im Frühjahr 1945 sprengen deutsche Truppen im Kampf um Berlin die letzten Kanal- und Leinpfadbrücken. Was von der zerstörten Treidelbahn noch zu gebrauchen ist, demontieren später die Sowjets. Aber nicht alles wird in die Sowjetunion geschafft. Das Mittelteil der Leinpfadbrücke, die einst den Steglitzer Hafen überspannte, führt heute als „Edenkobener Steg“ von Steglitz-Südende hinüber nach Lankwitz.