Gedenktafeln auf der Inselstraße Schwanenwerder.
Blick vom gegenüberliegenden Ufer auf Boote, die vor der Insel Schwanenwerder ankern.
Gedenktafeln auf Schwanenwerder machen auf die Vergangenheit der Insel aufmerksam. | © Fridolin Freudenfett (Peter Kuley), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
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Insel Schwanenwerder

Großbürgerliche Idyllen

Mit der Erfindung des Petroleum-Rundbrenners kommt Friedrich Wilhelm Wessel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Geld. Er investiert es unter anderem 1882 in den Kauf des unbewohnten „Sandwerder“ am östlichen Havelufer. Wessel lässt das Gelände aufschütten und für den Bau von Landhäusern aufteilen. Im Zentrum inszeniert er einen romantischen Landschaftspark. Hartnäckig drängt Wessel darauf, die Insel in „Schwanenwerder“ umbenennen zu dürfen: Ein bürgerliches Gegenstück zur nahegelegenen kaiserlichen Pfaueninsel.

Wessels Villa „Schwanenhof“ bleibt allerdings lange Zeit das einzige Bauwerk, weil der Insel die Anbindung an moderne Infrastrukturen fehlt. Das ändert sich mit dem Bau des Bahnhof Nikolassee 1902 und dem Anschluss ans Wasser- und Stromnetz. Infolgedessen lassen der Warenhausbesitzer Rudolph Karstadt, die Bankdirektoren Oscar Schlitter und Samuel Goldschmidt, der Schokoladenfabrikant Richard Monheim und andere Anwesen auf der Insel errichten. Auf Schwanenwerder ist die Berliner Oberschicht unter sich. Diskret empfängt sie hier Gäste aus Politik und Wirtschaft.

Nach 1933 werden alle jüdischen Eigentümer zum Verkauf ihrer Grundstücke auf Schwanenwerder gezwungen. In einem der Landsitze bereitet die „Reichsbräuteschule“ nun die Verlobten von SS- und NSDAP-Funktionären auf ihre ehelichen Pflichten vor. Persönliche Nutznießer der Enteignungen sind hochrangige Nazis wie beispielsweise Albert Speer, Hitlers Leibarzt Theodor Morell und Propagandaminister Joseph Goebbels. 1935 kauft er Oscar Schlitters Anwesen weit unter Wert und baut es pompös aus.

Nach Kriegsende nutzen die US-Alliierten die Gebäude auf Schwanenwerder. Die amerikanische Militärführung um General Eisenhower bereitet von hier aus die Potsdamer Konferenz vor. Während der Berlin-Blockade plant Lucius D. Clay in einer der Villen die Hilfsflüge für die Berliner Luftbrücke.
Die meisten der rechtmäßigen jüdischen Eigentümer möchten nicht mehr nach Deutschland zurückkehren und verkaufen deswegen ihre Grundstücke an das Land. Der West-Berliner Senat stellt sie für das Programm „Kinder in Luft und Sonne“ zur Verfügung. Die Seegrundstücke verwandeln sich daraufhin in Jugenderholungsstätten.

Erst seit den 1960er-Jahren erwerben auch Privatleute wieder Land auf Schwanenwerder. Prominentester Neuankömmling ist beispielsweise der Verleger Axel Springer. Heute ist der von Friedrich Wilhelm Wessel gestaltete Landschaftspark kaum noch zu erahnen. Von den historischen Landhäusern sind sechs erhalten, darunter der Wesselsche Schwanenhof in der Inselstraße 37.

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