Autos parken vor dem ehemaligen und verfallenen Wohlfahrtsgebäude in der Wilhelminenhofstraße.Historische Aufnahme des Kulturhauses in der Wilhelminenhofstraße im Jahr 1958.
1958: Ansicht des Wohlfahrtgebäudes in der Wilhelminenhofstraße. 2023: Noch steht das Gebäude leer, doch erste Maßnahmen haben begonnen. | © Bundesarchiv 183-57649-0001, Foto: Novack; © bzi, Foto: Max Braun
Wohlfahrtsgebäude an der Wilhelminenhofstraße 1938
Waschraum im Wohlfahrtsgebäude 1938
Klubhaus VEB Transformatorenwerks
Das Wohlfahrtsgebäude an der Wilhelminenhofstraße 1938 | © SDTB, Historisches Archiv
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Wilhelminenhofstraße 66–70
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Industriegeschichte Schöneweide

Wohlfahrtsgebäude und Kulturhaus

Das markante, jedoch heute verlassene Kulturhaus in der Wilhelminenhofstraße 66–70 zieht unwillkürlich Blicke auf sich.

1911 gibt die Akkumulatorenfabrik AG (AFA) ein Gebäude in Auftrag, das als soziale Einrichtung für die Werktätigen dienen soll. Architekt Felix Lindhorst errichtet das Wohlfahrtsgebäude 1912–1913. Im Erdgeschoss befindet sich ein Umkleide- und Waschraum, der Speisesaal ist im Obergeschoss untergebracht. Erstmalig taucht das Gebäude 1913 im Geländeplan der AFA-Festschrift auf. Zu diesem Zeitpunkt bebaut die AFA auch den Großteil des übrigen Geländes.

Ab 1950 nutzt das Werk für Fernsehelektronik das Gebäude und benennt es um in Kulturhaus. Dort finden nun verschiedene Veranstaltungen statt.

Vergleichbar mit dem Kulturhaus ist das etwas weiter südlich gelegene Klubhaus des Transformatorenwerks in der Wilhelminenhofstraße 83–85. Hiervon ist heute nur noch der Eingangsbereich erhalten, das Gebäude aber ist modernisiert und aufgestockt.

Blick über die Spree mit blauem Himmel nach Oberschöneweide.Historische Aufnahme von 1923. Blick von Niederschöneweide nach Oberschöneweide über die Spree. Im Wasser fährt ein Motorboot, im Hintergrund rauchen die Schornsteine.
1923: Die Lärm- und Luftbelastung ist Anfang des 20. Jahrhundert hoch in Schöneweide. 2023: Heutzutage sind die Schornsteine nur noch Zierde am Himmel. | © Ullstein Bild, 10168327; © bzi, Foto:Thomas Rosenthal
Besuch der Senatorin für Stadtentwicklung und Umweltschutz Schöneweide
Besuch der Senatorin für Stadtentwicklung und Umweltschutz Dr. Michaele Schreyer, 1990 | © Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (03) Nr. 0368948 / Foto: Platow, Thomas
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Wilhelminenhofstr. 78
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Lärm- und Luftbelastung

Die Bevölkerung Schöneweides hat bis in die 1990er-Jahre mit Luft- und Lärmbelastungen zu ringen. Das geht aus Studien hervor, die sich mit dem wiedervereinigten Berlin der 1990er-Jahre und seinen Herausforderungen beschäftigen. Ober- und Niederschöneweide sind wie viele andere Stadtteile auch staatlich geförderte Sanierungsgebiete. So werden bei einer Einwohnerbefragung Mitte der 1990er-Jahre unter anderem die schweren Transporte hervorgehoben, wodurch „die Erde bebt“. Auch der Rauchausstoß und Ruß durch die Schornsteine werden als besondere Belastungen betont (Anja Stichs „Wohngebietserneuerung unter Einbindung der Bewohner“, 2003).

Im Bild zu sehen ist die Centrale Oberspree, später Kraftwerk Oberspree. Der Bau beginnt 1895, zwei Jahre später geht das Kraftwerk in Betrieb. Dieses erste Drehstromkraftwerk Europas erstreckt sich entlang der Wilhelminenhofstraße, die noch immer eine wichtige Verkehrsachse Oberschöneweides ist.

Das Kraftwerk steht heute noch am selben Ort, allerdings in neuer Funktion. Obwohl es schon 1933 die Produktion einstellt, ist das Schornsteinpanorama heute ein Symbol des Wandels: Vom einstigen Stern der Produktion zum Verschmutzer. Doch nicht nur die Industrie verschmutzt die Luft im Ort, denn 1995 heizen noch 85% der Wohnungen in Oberschöneweide mit Kohle („Wohngebietserneuerung“, S.102).

Leere Straße neben der ehemaligen Bärenquell-Brauerei in Schöneweide.Lagerplatz der Trommelfabrik im Jahr 1990
1990: Lagerplatz der Trommelfabrik. 2023: Heute befindet sich eine Straße auf der ehemaligen Lagerfläche. | © SDTB, Historisches Archiv; © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Eingang zur KWO Trommelfabrik
Eingang zur Trommelfabrik, 1990 | © SDTB, Historisches Archiv
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Schnellerstraße 135–136
12439 Berlin-Schöneweide

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Trommelfabrik

Auf dem Gelände zwischen Treskowbrücke und Stubenrauchbrücke sind um 1900 drei Großbetriebe ansässig. Die Borussia-Brauerei (später Schultheiss-Brauerei) ab 1882, die Tuchfabrik Müller entsteht noch vor 1895, ab den 1920er-Jahren agiert sie als Vereinigte Märkische Tuchfabriken AG. Die Deutschen Messingwerke siedeln sich spätestens ab 1899 an und die Englische Gasanstalt ab 1906. Um 1929 kommen die Metallwerke Kretzer und Busse hinzu, die Gasanstalt weicht den wachsenden Messingwerken. Im Zweiten Weltkrieg werden die Metallwerke Kretzer und Busse nahezu vollständig zerstört, ebenso die Tuchfabriken sowie der Arbeiterwaschraum der Messingwerke.

Auf dem freigewordenen Platz siedeln sich nun die Kabelwerke Oberspree (KWO) direkt neben der Schultheiss-Brauerei an. Zuvor hatten sie Kabeltrommeln auf dem Werksgelände in Oberschöneweide produziert. Nach Schäden im Zweiten Weltkrieg verlegen sie die Trommelproduktion nach Niederschöneweide. Für die nächsten fast 50 Jahre entsteht hier ein dominierender Ort der Kabeltrommelproduktion.

Ab 1992 wird das riesige Gelände mit seinen verschiedenen Fabriken nach und nach abgerissen. 2006 stehen als letzte noch die Ruinen der Trommelfabrik, ehe auch diese abgerissen werden. Heute befinden sich auf dem Gelände ein Möbelhaus und ein Sporthandel. Nur das benachbarte Areal der ehemaligen Brauerei besteht noch heute und erleichtert das Verorten von historischen Fotos der Trommelfabrik.

Das Kraftwerk Oberspree in der Wilhelminenhofstraße. Das einsitige Casino verfällt.1923 streiken Arbeiter vor dem Casino des Kraftwerks Oberspree
1923: Die Belegschaft des KWO versammelt sich beim Streik am 03.11.1923 vor der Kantine. 2023:Blick auf die heutige Fassade des Gebäudes. | © Ullstein Bild, 10168328; © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Kantine AEG KWO, Industriesalon Schöneweide
Borsig Kantine Speisesaal Tegel
Borsig Kasino Tegel Billard
Im Giebel des Speiselsaals wacht eine Galionsfigur über die Belegschaft. | © Industriesalon Schöneweide, ohne Jahr
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Wilhelminenhofstraße 76
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Kantine Kabelwerk Oberspree

Die AEG errichtet für ihre Belegschaft des Kabelwerks Oberspree 1899 eine Kantine. Diese tritt in historischen Dokumenten auch als Casino auf, was die Bezeichnung als allgemeiner Pausenort bestärkt, der nicht nur zum Essen da ist.

Typisch ist die Raumtrennung zwischen Werks- und Beamtenkasino. Die Raumtrennung der AEG-Kantine ist nur noch auf Architekturzeichnungen und Karten dokumentiert. Als Vergleich lohnt der Blick auf andere Betriebe in Berlin. Zum Beispiel die Borsig-Werke in Tegel: Das abgetrennte Beamtencasino etwa hat ein Billardzimmer sowie eine Bibliothek für die Beamten, also Personen in Leitungspositionen. Die übrige Belegschaft muss sich hingegen mit einem großen Speisesaal abfinden.

Die Speisesäle sind geprägt vom Stil der jeweiligen Firmenästhetik. Bei Borsig sind beispielsweise die großen runden Stahlträger unverkennbar. Im Speisesaal der AEG-KWO-Kantine hingegen steht die Galionsfigur der AEG hoch oben im Giebel und wacht über die Belegschaft.

Ehemalger Umschlagplatz in Niederschöneweide mit Blick auf die SpreeHistorisches Foto um 1955: Umschlagplatz in Niederschöneweide
1960: Umschlagplatz mit Kai am Spreeufer. 2023: Heute wächst Gras auf der ehemaligen Lagerfläche. | © SLUB/Deutsche Fotothek, Foto: Richard Peter (junior); © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Schwarz-weiß Bild um 1955. Ein Arbeiter am Umschlagplatz in Schöneweide verlädt Ziegelsteine mit einem Kran an der Spree.
Schwarz-weiß Foto um 1955. Ziegel werden von einem Kran in die Spree herabgelassen und genässt.
Ein Arbeiter hilft bei der Ziegelverladung. | © SLUB/Deutsche Fotothek, Foto: Richard Peter (junior), um 1955
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Schnellerstraße 88-90
12439 Berlin-Niederschöneweide

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Umschlagplatz Niederschöneweide

1895 eröffnet das Restaurant Kyffhäuser am Ufer der Spree in Niederschöneweide. Die beliebte Gaststätte hat sogar einen eigenen Anlegeplatz für Ausflugsdampfer. In Karten ist das Gelände östlich des Restaurants ab 1905 als Ablage markiert. Schöneweide wandelt sich zu dieser Zeit von einem Ausflugsziel zur Industriestätte. Ein „Lageplan […] der Grundrenten Gesellschaft an der Oberspree Berlin“ von 1895 zeigt zwölf Anlegestellen in Schöneweide. Ein Großteil davon dient damals den wachsenden Produktionsstandorten. Doch nicht nur Güter wie Kupfer und Kohle verkehren auf der Spree. Bis zum Bau des Kaiserstegs 1900 muss die Belegschaft der Fabriken täglich mit Fähren über den Fluss setzen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg betreibt der VEB Montagebau Berlin (MBB) den Ablageplatz. Ab nun trägt er offiziell den Namen Umschlagplatz beziehungsweise Zwischenlager. Ab den 1950er-Jahren ergänzt ein Turmdrehkran das Gelände.

Am 1. Januar 1976 fusionieren der VEB Montagebau und VEB Dynamo-Bau Berlin (DBB) zu VEB Spezialhochbau Berlin mit Zentrale in Berlin-Lichtenberg. Heute ist das Gelände des Umschlagplatzes in Niederschöneweide zur Hälfte von einem Getränkehandel und einem Discounter bebaut. Die andere Hälfte ist eine große Grün- und Brachfläche, die nur mithilfe von Fotos an die ehemalige Betriebsamkeit erinnert.

Wohngebäude am ehemligen Standort der PoliklinikPoliklinik in der Steffelbauerstraße im Jahr 1961. Davor parkt ein Auto.
1961: Frontansicht der Poliklinik in der Steffelbauerstraße. 2023: Heute befindet sich hier ein Wohnhaus. | © Industriesalon Schöneweide, Foto: Unbekannt; © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Patienten bei einer Therapie in der Poliklinik Oberspree, um 1978
Patienten bei einer Therapie in der Poliklinik Oberspree. | © Kurt Schwarz, um 1978
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Steffelbauerstraße 16
12459 Berlin-Schöneweide

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Poliklinik Oberspree

Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt die Verwaltung des Industriegebiets Schöneweide bei der Sowjetischen Militäradministration (SMAD). Diese ordnet 1948 an, eine Betriebs-Poliklinik in Oberschöneweide einzurichten. Sie soll „zur Verbesserung der Lage und Lebensbedingungen“ der Arbeiterschaft führen. Außerdem spart die Nähe der Klinik zu den Fabriken Zeit und Wege. Die zu betreuenden Werke sind das Werk für Fernsehelektronik (WF), Progress (Film-Synchronisation), das Kabelwerk Oberspree (KWO) und die Akkumulatorenfabrik Oberschöneweide (AFA).

1949 eröffnet die Klinik in der ehemaligen Direktionsvilla des KWO und bekommt den Namen Poliklinik Oberspree. Die Versicherungsanstalt Berlin (VAB) stellt die medizinischen Instrumente. Sie richtet außerdem neun Stationen und fünf Nebeneinrichtungen ein.

Laut Werkszeitung „WF Sender“ vom 28.02.1969 soll die geografische Nähe der Klinik außerdem dabei helfen, Vorurteile und Misstrauen der Belegschaft gegenüber der Medizin zu überwinden.

1953 geht die Verantwortung für die Klinik von der Firma AFA auf das benachbarte WF über. Eine moderne Betriebspoliklinik eröffnet 1959 in der Steffelbauerstraße, nur wenige Gehminuten nördlich der Direktionsvilla, die nun wieder als Büro genutzt wird. Die Kosten für den Bau betragen damals 1.500.000 (Ost-) Deutsche Mark.

Der Abriss der Poliklinik erfolgt 2017 zugunsten neuer Wohnungen.

Zebrastreifen Schöneweide erster Fußgängerschutzweg 1952
Zebrastreifen Schöneweide erster Fußgängerschutzweg 1952
Zebrastreifen Schöneweide erster Fußgängerschutzweg 1952
Zebrastreifen 1952: Parallel laufende weiße Streifen quer zur Fahrbahn und rot-weiße Leuchtpfeile mit der Aufschrift Fußgänger. | © Bundesarchiv Zentralbild-Schmidtke Me-Qu., 22.03.1952.
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S-Bahnhof Schöneweide
Bundesstraße 96a
12439 Berlin-Schöneweide

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Berlins erster Zebrastreifen

Zebrastreifen sind heute eine Selbstverständlichkeit und überall im Straßenverkehr verankert. 1952 sind sie jedoch ein absolutes Novum und ein grundlegender Eingriff in den Straßenverkehr.

Am Übergang vor dem Bahnhof Schöneweide tummeln sich damals breite Autostreifen, Trams, Verkehrsgüterzüge, Lkws, Fahrräder und der lokale Güterzug „Bullenbahn“. Die Überquerung der Straße birgt ein hohes Unfallpotenzial für die Tausenden, die tagtäglich mit S-Bahn und Tram zur Arbeit in die Fabriken pendeln. Es ist eine Gefahrenzone, für die die Verkehrspolizei nach Lösungen sucht.

Anfang März 1952 ist der neue Übergang zunächst durch Seitenstreifen und Beschilderung markiert. Zum „Zebrastreifen“ wird der Schutzweg erst einige Wochen nach seiner Eröffnung dank seiner noch heute üblichen weißen Streifen. Der seinerzeit revolutionäre Eingriff in den Straßenverkehr ist auf mehreren Fotos festgehalten.

Heute ist die Schnellerstraße am Bahnhof als Stadtautobahn 96A komplett neu bebaut. Die ehemalige Lage des ersten Berliner Zebrastreifens ist nur noch durch das Michael-Brückner-Haus auf dem ersten Foto zu verorten. Die Fotos 1 und 2 sind gegenüber dem Bahnhof vom Balkon des Michael-Brückner-Hauses aus aufgenommen. Einen Zebrastreifen gibt es heute an der immer noch viel befahrenen Straßensituation nicht mehr. Aktuell befindet sich das Gelände allerdings wieder im kompletten Umbau.

Eingang vom Museum Lichtenberg
Besucherin im Museum Lichtenberg nutzt eine Medienstation
Dauerausstellung im Museum Lichtenberg, historische Karte und Audiostationen im Ausstellungsbereich
Das Museum Lichtenberg befindet sich im ehemaligen Stadthaus. | © Museum Lichtenberg
Adresse

Türrschmidtstraße 24
10317 Berlin-Lichtenberg

Kontakt

Tel.: 030 5779738811
info@museum-lichtenberg.de
museum-lichtenberg.de/

Öffnungszeiten

Di-So. 11:00 bis 18:00 Uhr

Eintritt

frei

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Geheimtipps

Museum Lichtenberg

Geschichte zum Anfassen

Wo sich heute Fabriken, Wohnungen und das Museum Lichtenberg befinden, erstrecken sich vor 150 Jahren Felder und Bauernhöfe. Bis ins 19. Jahrhundert leben die Bewohner Lichtenbergs noch in strohgedeckten Fachwerkhäusern. Wer hätte da gedacht, dass sich diese dörfliche Idylle in wenigen Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Industriestandorte Berlins entwickeln würde?

Zu den Meilensteinen der industriellen Entwicklung Lichtenbergs gehört die Ansiedlung der Knorr-Bremse AG. Die Bremsenfabrik entwickelt sich Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Produzenten von Bremssystemen für Schienenfahrzeugen in Deutschland. Hinter der prunkvollen Fassade des Verwaltungsgebäudes befinden sich heute die Büroräume der Deutschen Rentenversicherung.

Mehr zu diesem und anderen historischen Orten können Besucher:innen im Museum Lichtenberg entdecken. Die Dauerausstellung mit dem Thema „Was? Wo? Wie? Wer? WOW! – Made in Lichtenberg“ lädt dazu ein, Lichtenbergs vielfältige Geschichte und Gegenwart zu erkunden.

In den 1920er-Jahren entsteht in Lichtenberg Deutschlands bedeutendstes Kraftwerk – das Kraftwerk Klingenberg. Neben der Knorr-Bremse AG siedeln sich um die Jahrhundertwende zahlreiche weitere Unternehmen in Lichtenberg an. Viele alltägliche Produkte wie Kunstseide, Zement und Nagellack entstehen in Lichtenberger Fabriken. Die Besucher:innen des Museums lernen beispielsweise Willy Abel kennen, einen Tüftler und Unternehmer, der mit Haushaltshilfen wie Eierschneider und Brotschneidemaschine zu Wohlstand kam. Seine Erfindungen sind bis heute in fast jedem Haushalt zu finden.

Neben den Geschichten der großen Fabriken und dem Weg des Bezirks in die Moderne thematisiert die Ausstellung auch das alltägliche Leben der Arbeiter:innen. Dabei erleben die Besucher:innen die Geschichte des Bezirks mit allen Sinnen: Sie können vergessene Gerüche erschnuppern, die Geräuschkulisse Lichtenbergs von vor 100 Jahren wiederentdecken und Objekte ertasten.

Bergmann Elektrizitätswerke Pankow Wilhelmsruh
Bergmann Elektrizitätswerke Pankow Wilhelmsruh
Bergmann Elektrizitätswerke Pankow Wilhelmsruh Kesselhaus
Die historischen Gebäude der Bergmann Elektrizitätswerke bilden heute den PankowPark. | © visitBerlin, Foto: Wolfgang Scholvien

Bergmann Elektrizitätswerke

Was hat eine deutsche Band mit einer alten Industriehalle zu tun? 2013 übernimmt Rammstein drei Hallen der ehemaligen Bergmann Elektrizitätswerke. In den nächsten Jahren lassen sie die Hallen sanieren und moderne Einbauten aus Sichtbeton und Stahl einsetzen. Das Ergebnis kann sich nicht nur sehen lassen, sondern wird 2018 sogar mit dem Berliner Denkmalpreis ausgezeichnet. Die Rammsteinhallen dienen der Band als Lager für Bühnenequipment, aber auch als Büroräume mit Industriekultur-Flair.

Neben Siemens und AEG gehört die Bergmann Elektrizitätswerke AG um 1900 zu den großen Akteuren der Berliner Elektroindustrie. Zur breiten Produktpalette gehören Dampfturbinen, Elektrolokomotiven und LKW mit Elektroantrieb. 1906 hat das Stammwerk im Wedding seine Kapazitätsgrenze erreicht. Außerhalb der Stadtgrenze findet sich im heutigen Wilhelmsruh ein perfektes Grundstück: ausreichend Platz und ein Anschluss an die Berliner Nordbahn bieten beste Voraussetzungen.

Im Zweiten Weltkrieg unterliegen die Werke der Rüstungsproduktion und beschäftigen Hunderte Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Nach dem Krieg liegt das Werksgelände im sowjetischen Sektor. Als VEB Bergmann-Borsig nimmt die verstaatliche Firma den Betrieb auf. Der Mauerbau stellt das Unternehmen vor eine neue Herausforderung. An zwei Seiten ist das Betriebsgelände von der Mauer umschlossen und von Verkehrswegen abgeschnitten. Alle Fenster und Türöffnungen in Richtung Westen werden vermauert und gesichert.

Nach der Wiedervereinigung übernimmt die Treuhand die Firma und verkauft an Asea Brown Boveri AG (ABB). Zu den weiteren Nachbarn der Rammsteinhallen zählt heute der Schienenfahrzeugbauer Stadler, der beispielsweise die neuen Berliner S-Bahnen produziert. Das ehemalige Bergmann-Gelände ist inzwischen als Pankow-Park bekannt.

Nicht alle historischen Hallen der ehemaligen Bergmann Elektrizitätswerke sind so vorbildlich saniert wie die Rammsteinhallen. Ein Kesselhaus aus dem Jahr 1928 verfällt seit Jahren. Daher ist es auf der Roten Liste der Berliner Kulturgüter seit 2022 als gefährdet eingestuft.


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Flughafen Tegel Luftaufnahme um 1975
Flughafen Tegel Innen im Terminal 1979
Flughafen Tegel Pan Am Flugzeuge 1985
Das besondere am Flughafen Tegel ist seine Form, die kurze Wege bis ins Flugzeug ermöglicht. | © akg-images, Luftaufnahme (Postkarte), um 1975.

Flughafen Tegel

Die Geschichte des Flughafen Tegel beginnt in einer schicksalhaften Stunde der Stadt: Im Juni 1948 blockiert die Rote Armee alle Landwege nach West-Berlin. Die Westalliierten stemmen sich mit einer Luftbrücke dagegen. Sie bringen Lebensmittel, Medikamente, Heizmaterial und alles, was eine Großstadt sonst zum Überleben braucht. Doch die Kapazität an den Flughäfen Tempelhof und Gatow reichen bald nicht mehr aus. Im französischen Sektor beginnen daher die Arbeiten für ein neues Flugfeld. Rund 19.000 Berliner:innen arbeiten rund um die Uhr, um einen neuen Flughafen aus dem Boden zu stampfen. Nur drei Monate später setzt das erste Flugzeug in Tegel auf.

1960 nimmt Air France in „Tegel Nord“, wie der Flughafen Tegel nun offiziell heißt, den zivilen Luftverkehr auf. 1965 gewinnen die jungen Architekten Meinhard von Gerkan, Volkwin Marg und Klaus Nickels den Wettbewerb für einen modernen Airport „Tegel Süd“. Für Aufsehen sorgt ihr „Drive-in-Prinzip“. Die Fluggäste fahren direkt mit Bus, Auto oder Taxi an ihren Schalter zum Check-in und passieren die Sicherheitskontrollen. Vom Wartebereich dahinter geht es über eine Gangway direkt ins Flugzeug. Die sechseckige Form des Flughafens macht diese kurzen Wege möglich. Im November 1974 laufen die ersten Passagiere in weniger als 50 Metern vom Auto zum Flugzeug.

Mit der deutschen Wiedervereinigung enden 1990 die alliierten Sonderrechte für den Berliner Flugverkehr. Tegel darf nun von deutschen Fluggesellschaften angeflogen werden. Doch auch immer mehr ausländische Airlines beantragen Flugrechte für die Hauptstadt. Eigentlich soll 2011 der neue Großflughafen Berlin-Brandenburg (BER) den überlasteten Flughafen Tegel ablösen. Doch dieser kann wegen Baumängeln jahrelang nicht eröffnen. Währenddessen steigen die Passagierzahlen am Flughafen Tegel weit über die Kapazitätsgrenze hinaus. Ein drittes Terminal C, provisorisch errichtet und zweimal erweitert, rettet den Flughafen über die Zeit. Ursprünglich für zweieinhalb Millionen Passagiere geplant, fertigt Tegel letztendlich mehr als 20 Millionen Fluggäste pro Jahr ab.

Seit 2019 steht der Flughafen Tegel „Otto Lilienthal“ unter Denkmalschutz. Ein Jahr später endet schließlich der Flugverkehr. Bis 2040 soll unter dem Namen „Berlin TXL – The Urban Tech Republic“ ein Forschungs- und Industriepark auf dem Areal entstehen.


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