Ansicht des Gebäudekomplexes des Radio Loewe vom Wasser des Teltowkanals aus. Einige Bäume verdecken das Gebäude.
1924 zieht die Produktion der Rundfunkempfänger von Radio Loewe nach Steglitz. | © Axel von Blomberg
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Kommunikation und Medien

Radio Loewe

Verfolgte Pioniere des Rundfunks

Am 29. Oktober 1923 wird die erste Radio-Unterhaltungssendung aus dem Berliner Vox-Haus am Potsdamer Platz ausgestrahlt. Es ist die Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland. Bereits im Januar 1923 hatten die Brüder David und Siegmund Loewe die Radiofrequenz GmbH gegründet. Es folgen weitere Loewe-Gründungen im selben Jahr, alle entwickeln Radiotechnik: Elektronenröhren, Widerstände, Lautsprecher.

Siegmund Loewes technisches Genie treibt das Unternehmen an. Zusammen mit dem Physiker Manfred von Ardenne entwickelt er die bahnbrechende Dreifach-Elektronenröhre „3NF“, einen der ersten integrierten Schaltkreise. Sie macht den „Ortsempfänger Loewe OE 333“ ab 1926 zu einem der meistverkauften Radiogeräte im Deutschen Reich.

1924 errichten die Brüder am Teltowkanal im Bezirk Steglitz ein Werk für die Einzelteil- und Empfängerfertigung. Bis zum Ende der 1920er-Jahre entwickelt sich ein Geflecht verschiedener Tochter- und Zweigunternehmen an unterschiedlichen Standorten. 1930 vereinigen die Brüder das entstandene Firmengeflecht unter dem neuen Namen „Radio AG D. S. Loewe“. Fortan produziert das Unternehmen nur noch hier in Steglitz. Bereits 1931 stellt die Firma das erste serienreife Fernsehgerät vor. Kurz zuvor gründen die Loewes zusammen mit weiteren Technologiefirmen die „Fernseh AG“, eine der wenigen Firmen in Deutschland, die sich ganz den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten am neuen Medium Fernsehen verschreibt.

Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird die jüdisch-christliche Loewe-Familie in Rufmordkampagnen verleumdet. Siegmund Loewe stemmt sich mit der Gründung von Auslandsgesellschaften aktiv gegen die drohende Enteignung. Die erzwungene „Arisierung“ der Radio AG D. S. Loewe erfolgt 1938 während einer Geschäftsreise Loewes in die USA.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erhält Siegmund Loewe zumindest seine Unternehmen in Westdeutschland zurück. Im fränkischen Kronach baut er einen neuen Firmensitz auf und treibt die Entwicklung der Unterhaltungselektronik bis zu seinem Tod 1962 mit dem Farbfernsehen weiter voran. Die Radioproduktion im Steglitzer Stammwerk endet allerdings 1979. Im Ergebnis zweier Insolvenzverfahren existiert „Loewe“ seit 2021 noch als Markenname. Die traditionsreiche Manufaktur ist heute ein weltweit agierendes Unternehmen mit Hauptsitz und Produktionsstandort in Kronach.

Außenansicht des aus Backstein errichteten Maschinenhauses des Kraftwerks Steglitz vor bewölktem Himmel.
Außenansicht des in Backstein errichteten Kraftwerks Steglitz.
Im 1911 errichteten Kraftwerk Steglitz werden werden in den 1930er-Jahren zugleich Elektrizität und Fernwärme produziert. | © Andreas Muhs
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Strom und Energie

Kraftwerk Steglitz

Hochspannung für Berlin und Hollywood

Die verschiedenen Funktionsbereiche des Kraftwerks Steglitz sind in unterschiedlich großen Backsteingebäuden um das zentrale Maschinenhaus angeordnet. Die heute leerstehenden Hallen sind aufgrund ihrer Architektur immer wieder Kulisse für internationale Filmproduktionen. Dazu gehört beispielsweise die Matrix-Reihe, die Ende der 1990er-Jahre entsteht. Dabei ist das Kraftwerk Steglitz selbst Teil einer spannungsgeladenen Geschichte: die der Berliner Energieversorgung.

Keine acht Monate benötigen der Architekt Hans Heinrich Müller und der Ingenieur Martin Rehmer, bis das neue Drehstromkraftwerk am 15. März 1911 seinen Betrieb aufnimmt. Wie viele Bezirke Berlins ist Steglitz damals eine eigenständige Gemeinde und auf die Unabhängigkeit seiner Versorgung bedacht. Die technischen Voraussetzungen für einen Kraftwerksbau hatte der Teltowkanal 1906 geschaffen: Steinkohle kommt in Lastkähnen, Kühlwasser direkt aus dem Kanal.

Mit dem Groß-Berlin-Gesetz 1920 wird das Kraftwerk ein Knoten im Netz der BEWAG, der Berliner Städtischen Elektrizitätswerke AG. Umgerüstet zum Heizkraftwerk produziert das Kraftwerk Steglitz in den 1930er-Jahren Fernwärme und Elektrizität mit der ersten konsequenten Kraft-Wärme-Kopplung im Deutschen Reich. 1939-1940 kommt das heute noch erhaltene große Abspannwerk hinzu.

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgen technische Modernisierungen der teilzerstörten Anlage. Bis 1963 stellt die BEWAG die Feuerung von Steinkohle auf Schweröl um. Dafür werden am Teltowkanal Öltanks installiert. Auf dem früheren Kohlelagerplatz entsteht die erste West-Berliner Gasturbine. Was die Innovationen im Kraftwerk Steglitz antreibt, ist die unsichere Insellage West-Berlins im Kalten Krieg. Um die von allen umliegenden Netzen abgeschnittene „Strominsel“ im Notfall abzusichern zu können, entsteht hier bis 1986 die damals weltgrößte Batteriespeicheranlage.

Niemand ahnt damals, dass das Kraftwerk samt Batteriespeicheranlage nur vier Jahre später – nach dem Fall der Berliner Mauer – seinen Zweck verlieren wird. Nachdem Berlin ab 1990 Teil des neuen gesamtdeutschen Stromnetzes wird, endet die Energieproduktion in Steglitz im Jahr 1994.

Heute betreibt der Stromanbieter Vattenfall auf dem Gelände noch ein Umspannwerk. Im ehemaligen Batteriespeicher erzählt das ehrenamtlich betriebene Energie-Museum Berlin die Geschichte der stadteigenen Energieversorgung weiter.

Mehr über die »Elektropolis Berlin« erfahren Sie in den Meilensteinen der Berliner Industriegeschichte.

Außenansicht der Correns- bzw. Siemensvilla mit einem Säuleneingang. Vor dem Eingang stehen einige Fahnenstangen.
Die Correns- bzw. Siemensvilla wird ab 1919 erbaut. | © bzi/Foto: Max Braun
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Calandrellistraße 1-9
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Café Siemensvillla
Öffnungszeiten: Mo bis Fr

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Siemensvilla

Ein Herrenhaus, zwei Industrielle

Mit ihren Kleinbatterien befeuert die Akkumulatorenfabrik AG aus Berlin-Oberschöneweide zu Beginn des 20. Jahrhunderts den ersten Boom der Elektromobilität. Die transportablen Batterien der Marke VARTA (Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren) stellt das Unternehmen in Massenproduktion her. Friedrich Christian Correns ist ihr kaufmännischer Direktor und kommt dabei zu viel Geld. Ab 1905 kauft er in der Gartenstadt Lankwitz sechs benachbarte Grundstücke von insgesamt 37.000 m² und beauftragt den Architekten Albert Denzel mit dem Entwurf für ein repräsentatives Herrenhaus.

Das Richtfest im August 1914 fällt bereits in den beginnenden Ersten Weltkrieg. Unterstützt vom Kaiserhof, kann Correns auch in diesen unsicheren Zeiten auf beste Materialien und Handwerker zurückgreifen. Nach der Gestaltung des Gärtner-, Chauffeur- und Pförtnerhauses kommt es zu Unstimmigkeiten mit dem Architekten Denzel. Gemeindebaurat Fritz Freymüller übernimmt anschließend die Planung des Haupthauses. Hinter einer klassizistisch-barocken Fassade verteilt er 3.800 m² auf 73 Räume, davon allein 18 Zimmer fürs Personal. Für die Freizeitgestaltung der Bewohnerinnen und Bewohner stehen ein Billardraum, eine Kegelbahn sowie eine Trinkstube zur Verfügung. Fast alle Räume verfügen über einen Telefonanschluss, damals hochmodern und äußerst selten.

1925 erwirbt Werner Friedrich von Siemens, ein Enkel des Firmengründers Werner von Siemens, das Anwesen samt Parkanlage. Der Musikliebhaber lässt die Gewächshäuser für einen Konzertsaal abreißen. Begleitet von einer Wurlitzer-Orgel und vor 500 Gästen dirigiert er dort auch selbst.

Weite Teile der Innenausstattung sind in der denkmalgeschützten „Siemensvilla“ noch im Originalzustand erhalten. Orchester- und Radioproduktionen nutzen die exzellente Akustik des Musiksaals bis heute für ihre Aufnahmen. Die übrigen Räumlichkeiten teilen sich seit 2012 zwei private Hochschulen. An regelmäßigen „Offenen Campustagen“ sind die Räumlichkeiten für Gäste zugänglich.

Das Empfangsgebäude des S-Bahmhofs Wannsee.
Das Empfangsgebäude des S-Bahnhofs Wannsee stammt aus den späten 1920er-Jahren. | © A. Savin, via Wikimedia Commons

S-Bahnhof Wannsee

Verkehrstempel für Sonnenhungrige

Stadtbahn, Wannseebahn, Friedhofsbahn und Wetzlarer Bahn: Die Betriebsabläufe am alten Bahnhof Wannsee sind über die Jahre immer komplizierter geworden. Deswegen ordnet der 1928 errichtete Fern- und S-Bahnhof Wannsee die Vorort- und Fernbahnverkehre neu. Im selben Jahr fertiggestellt wie der Bahnhof Westkreuz, ist auch dieser Bahnhof Teil der „Großen Elektrifizierung“ der Berliner S-Bahn. Sie befreit die Bevölkerung nicht nur vom Rauch vieler Dampflokomotiven, sondern erweitert auch die Trassen, auf denen die Bewohnerinnen und Bewohner der Innenstadt an die grünen Ränder der Stadt strömen.

Gut 50 Jahre zuvor hat sich Prinz Friedrich Karl von Preußen für einen Verkehrsanschluss der neuen Villenkolonie am Wannsee stark gemacht. 1874 eröffnet zusammen mit der Wannseebahn das erste – heute nicht mehr erhaltene – Bahnhofsgebäude am Wannsee. Als Empfangsgebäude wird der hölzerne „Kaiserpavillon“ der Wiener Weltausstellung (1873) für einige Jahre wieder aufgebaut.

Mit dem neuen S-Bahnhof Wannsee kommt 1928 die Moderne nach Wannsee. Der Oberbaurat der Reichsbahn Richard Brademann errichtet das Bahnhofsgebäude zusammen mit einem Verwaltungs- und einem Servicetrakt samt Hotel und Restaurant. Die Kuppel der achteckigen Schalterhalle verjüngt sich in zwei Stufen nach oben. Die Halle mit ihren spitzbogigen Eingängen und Fenstern erinnert an einen Sakralbau: Ein Bahnhof als expressionistischer „Verkehrstempel“.

Mit dem Bau der Berliner Mauer wird der S-Bahnhof Wannsee 1961 zum Endbahnhof. Erst nach dem Transitabkommen zwischen beiden deutschen Staaten halten hier ab 1976 wieder Transitzüge auf ihrem Weg von und nach West-Berlin. Heute ist der Bahnhofsvorplatz wieder Treffpunkt, Verkehrsknotenpunkt und Geschäftszentrum. Von hier strömen Sonnenhungrige an heißen Sommertagen zur Fähranlegestelle und zum Strandbad Wannsee.

Wer in den Eingangsarkaden des Bahnhofs nach oben blickt, entdeckt die originalen Leuchten und Bronzereliefs aus dem Jahr 1928. Vom früheren Ausbau der 1880er- und 1890er-Jahre zeugen noch die gusseisernen Bahnsteigüberdachungen.

Das Backsteingebäude des Wasserwerks Beelitzhof von außen.
Außenansicht des Wasserwerks Beelitzhof.
Außenansicht eines Backsteingebäudes des Wasserwerks Beelitzhof, erbaut 1888.
Das Wasserwerk Beelitzhof versorgt Berlin seit 1888 mit frischem Wasser. © bzi/Foto: Max Braun
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Kronprinzessinnenweg 150
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Wasserwerk Beelitzhof

Wasseraufbereitung heute

Das Berliner Trinkwasser enthält viel Calcium und Magnesium, deshalb ist es eher hart. Aber, das betont der Leiter des Wasserwerks Beelitzhof: „Es hat Mineralwasserqualität, mindestens!“. Zusammen mit dem älteren Wasserwerk Teufelssee versorgt das doppelt so große Wasserwerk Beelitzhof seit 1888 die Stadt Charlottenburg und weite Teile der westlichen und südlichen Berliner Vororte. Damals entsteht das Werk als Teil der Charlottenburger Wasserwerke AG, einst gegründet, um die Villenkolonie Westend mit Trinkwasser zu versorgen. Im Gegensatz zum Wasserwerk Teufelssee ist Beelitzhof heute noch in Betrieb.

Das Wasserwerk Beelitzhof ist das drittgrößte der Berliner Wasserbetriebe. Pro Jahr liefert es 35 Millionen Kubikmeter Trinkwasser ins Netz. Wenn es in den Haushalten ankommt, hat es bereits einen weiten Weg zurückgelegt: Aus den über 80 Grundwasserbrunnen fließt es durch große Rohre in die Belüftungsanlage des Werks. Wie in einer Dusche wird es dort versprüht, um Sauerstoff aufzunehmen. Das führt dazu, dass es im anschließenden Reaktionsbecken Eisen- und Manganverbindungen bindet. In einer zwei Meter dicken Sandfilterschicht bleiben die Metallflocken hängen und das saubere Filtrat fließt anschließend in riesige Reinwasserbehälter.

Die Berliner Wasserbetriebe betreiben heute neun Wasser- und sechs Klärwerke. Das Wasserwerk Beelitzhof ist ein Knoten in diesem Verbund. Aus der hier untergebrachten Schaltzentrale steuern die Mitarbeiter:innen auch das Wasserwerk Tiefwerder sowie die Pumpwerke Westend, Marienfelde und Johannisthal – und überwachen überall die Wasserqualität.

Mit einer umfangreichen Resilienzstrategie reagieren Senat und Berliner Wasserbetriebe seit 2021 auf den sinkenden Grundwasserspiegel. Grund dafür sind die Folgen des Klimawandels, weswegen immer weniger Regen in Berlin fällt. Ein Ziel ist es beispielsweise, mit dem Wasser aus den Wasserwerken jenes Sickerwasser zu ersetzen, das durch den seltener werdenden Regen fehlt. Dazu zählt auch, Moore als Wasserspeicher gezielt zu bewässern. Im Wasserwerk Beelitzhof verbessert außerdem eine Aufbereitungsanlage für Havelwasser schon seit 1981 die Qualität der Grunewaldseen. Und auch stillgelegte Wasserwerke spielen in der Resilienzstrategie eine Rolle. In Beelitzhof planen sie bereits eine neue Leitung zu dem 1995 stillgelegten Werk Riemeisterfenn.

Blick auf das Eingangsgebäude des Strandbads Wannsee.
Luftansicht des Strandbads Wannsee aus den 1960er-Jahren.
Das Eingangsgebäude wurde 1928 im konservativen Heimatschutzstil gebaut. | © H.Helmlechner, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
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Wannseebadweg 25
14129 Berlin-Zehlendorf

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S-Bahnhof Nikolassee (S1, S7)

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Strandbad Wannsee

Ostseestrand am Stadtrand

Einmal zur „Sommerfrische“ in eines der mondänen Ostseebäder – am Beginn des 20. Jahrhunderts bleibt das für die allermeisten Berlinerinnen und Berliner ein unbezahlbarer Traum. Daher entwickelt der Stadtbaurat Martin Wagner als Mitglied des Berliner Magistrats ein sozialpolitisches Programm. Damit die arbeitende Bevölkerung „Licht, Luft und Sonne tanken“ kann, baut Berlin nach dem Ersten Weltkrieg Volksparks, Sportstadien und Freibäder. Mit dem Strandbad Wannsee kommen 1930 tatsächlich 1,2 Kilometer Ostseestrand an die Havel.

Das im konservativen Heimatschutzstil entworfene Eingangsgebäude von Franz Fedler aus dem Jahr 1928 verrät die Modernität des weiter unten in der Bucht gelegenen Strandbades noch nicht. Martin Wagner und Richard Ermisch planen das Strandbad Wannsee als umfassende Freizeitlandschaft. Dafür schmiegen sie einen 1.000 Meter langen, klinkerverblendeten Stahlskelettbau in den Uferhang. Der in neun Hallen gegliederte Bau im Stil der Neuen Sachlichkeit soll neben Garderoben und Duschen auch Heilbäder und ein Freilichttheater aufnehmen. Oben bieten die Dächer Platz für Sonnenliegen und Sportanlagen, unten führt ein Wandelgang an Geschäften vorbei. Auch eine Seebrücke und ein Hafen sind geplant.

Bis 1930 können nur vier Hallen und das als Mittelpunkt gedachte Strandrestaurant „Lido“ realisiert werden. Dennoch ist das Strandbad Wannsee bei seiner Eröffnung das größte und modernste Binnenfreibad Europas. Und in der Hauptstadt fraglos das beliebteste: „Mit Kind und Kegel“ strömen die Berlinerinnen und Berliner an den Wannsee, während konservative Villenbesitzer gegen das „proletarische“ Freibad protestieren. Zum Weiterbau kommt es auch deswegen nicht, weil dem NS-Regime der „undeutsche Baustil“ des Strandbads missfällt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bleibt das Strandbad Wannsee zunächst ein Sehnsuchtsort der West-Berliner. Ab den 1960er-Jahren verfällt es zusehends. Seit den 1980er-Jahren gibt es immer wieder Sanierungen. Trotz aller baulichen Herausforderungen lädt der 80 Meter breite und 1,2 Kilometer lange Strand aus feinem Ostseesand bis heute zum Sonnentanken ein.

Gedenktafeln auf der Inselstraße Schwanenwerder.
Blick vom gegenüberliegenden Ufer auf Boote, die vor der Insel Schwanenwerder ankern.
Gedenktafeln auf Schwanenwerder machen auf die Vergangenheit der Insel aufmerksam. | © Fridolin Freudenfett (Peter Kuley), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
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Inselstraße
14129 Berlin-Nikolassee

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Insel Schwanenwerder

Großbürgerliche Idyllen

Mit der Erfindung des Petroleum-Rundbrenners kommt Friedrich Wilhelm Wessel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Geld. Er investiert es unter anderem 1882 in den Kauf des unbewohnten „Sandwerder“ am östlichen Havelufer. Wessel lässt das Gelände aufschütten und für den Bau von Landhäusern aufteilen. Im Zentrum inszeniert er einen romantischen Landschaftspark. Hartnäckig drängt Wessel darauf, die Insel in „Schwanenwerder“ umbenennen zu dürfen: Ein bürgerliches Gegenstück zur nahegelegenen kaiserlichen Pfaueninsel.

Wessels Villa „Schwanenhof“ bleibt allerdings lange Zeit das einzige Bauwerk, weil der Insel die Anbindung an moderne Infrastrukturen fehlt. Das ändert sich mit dem Bau des Bahnhof Nikolassee 1902 und dem Anschluss ans Wasser- und Stromnetz. Infolgedessen lassen der Warenhausbesitzer Rudolph Karstadt, die Bankdirektoren Oscar Schlitter und Samuel Goldschmidt, der Schokoladenfabrikant Richard Monheim und andere Anwesen auf der Insel errichten. Auf Schwanenwerder ist die Berliner Oberschicht unter sich. Diskret empfängt sie hier Gäste aus Politik und Wirtschaft.

Nach 1933 werden alle jüdischen Eigentümer zum Verkauf ihrer Grundstücke auf Schwanenwerder gezwungen. In einem der Landsitze bereitet die „Reichsbräuteschule“ nun die Verlobten von SS- und NSDAP-Funktionären auf ihre ehelichen Pflichten vor. Persönliche Nutznießer der Enteignungen sind hochrangige Nazis wie beispielsweise Albert Speer, Hitlers Leibarzt Theodor Morell und Propagandaminister Joseph Goebbels. 1935 kauft er Oscar Schlitters Anwesen weit unter Wert und baut es pompös aus.

Nach Kriegsende nutzen die US-Alliierten die Gebäude auf Schwanenwerder. Die amerikanische Militärführung um General Eisenhower bereitet von hier aus die Potsdamer Konferenz vor. Während der Berlin-Blockade plant Lucius D. Clay in einer der Villen die Hilfsflüge für die Berliner Luftbrücke.
Die meisten der rechtmäßigen jüdischen Eigentümer möchten nicht mehr nach Deutschland zurückkehren und verkaufen deswegen ihre Grundstücke an das Land. Der West-Berliner Senat stellt sie für das Programm „Kinder in Luft und Sonne“ zur Verfügung. Die Seegrundstücke verwandeln sich daraufhin in Jugenderholungsstätten.

Erst seit den 1960er-Jahren erwerben auch Privatleute wieder Land auf Schwanenwerder. Prominentester Neuankömmling ist beispielsweise der Verleger Axel Springer. Heute ist der von Friedrich Wilhelm Wessel gestaltete Landschaftspark kaum noch zu erahnen. Von den historischen Landhäusern sind sechs erhalten, darunter der Wesselsche Schwanenhof in der Inselstraße 37.

Das Foto zeigt die Fähre, die Kurs auf die Insel Lindwerder nimmt.
Die Insel Lindwerder vom gegenseitigen Ufer aus gesehen.
Ein Radfahrer, der in der Nähe des Stegs zur Fähre zur Insel Lindwerder auf einer Bank sitzt.
Die Insel lässt sich seit jeher nur per Fähre erreichen. | © bzi, Foto: Max Braun
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Havelchaussee 43
14193 Berlin-Steglitz-Zehlendorf

Anfahrt

Für den Betrieb der heutigen Gaststätte auf der Insel verkehren eine Personen- und eine Lastfähre.
Gäste des Restaurants können die Privatfähre per Glocke rufen.

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Insel Lindwerder

Fährbetrieb auf dem Wannsee

Nur 300 Meter lang und kaum halb so breit, ist die Insel Lindwerder. Sie ist ein Überrest einer einst viel größeren Eiszeitmoräne, umflossen von der Havel. 1888 erwirbt ein Gutsbesitzer das abgeschiedene Idyll. Elf Jahre später errichtet er ein Wohnhaus. Linden säumen den Uferweg und der Blick reicht über die Havel bis nach Gatow.

Der Fährbetrieb zum Festland, ursprünglich für den Hausbau eingerichtet, bleibt auch danach erhalten. 1905 entsteht auf der Westseite eine Anlegestelle für Ausflugsdampfer. Immer mehr Berlinerinnen und Berliner suchen am Stadtrand Erholung vom schnellen Rhythmus der Metropole. Die Insel Lindwerder entwickelt sich zu einem beliebten Ausflugsziel. Und das nicht nur in der warmen Jahreszeit. Im Winter lockt die damals noch regelmäßig zugefrorene Havel zum Schlittschuhlaufen aufs Eis.

Nach 1945 wird an der Ostseite der Insel Trümmerschutt verkippt. Lindwerder wächst so um 3.000 Quadratmeter ans Festland heran. Das heutige Gaststättengebäude stammt aus dem Jahr 1971. Wer das in den Sommermonaten geöffnete Inselrestaurant besuchen möchte, ruft mit der Glocke am Anleger nach der Fähre. Die Überfahrt nach Lindwerder dauert nur wenige Minuten.

Aussicht vom Ufer auf die Havel, auf der ein Schiff fährt
Blick von oben auf dem Grunewaldturm auf die Havel
Schwarz-weiß-Foto eines Wasserflugzeugs der Berliner Luftbrücke auf der Havel.
Bis heute hat die Havel als Bundeswasserstraße eine wichtige Bedeutung für den Personen- und Güterverkehr. | © bzi, Foto: Max Braun

Die Havel

Geschichtsträchtige Wasserstraße

Im Sommer 1948 – während der Berlin-Blockade – wird die Havel zur längsten Landebahn Berlins. Britische „Short Sunderland“-Wasserflugzeuge starten auf der Hamburger Elbe und landen auf der Havel, um die Flughäfen zu entlasten. Der nahe gelegene Militärflugplatz Gatow wird eine Art Logistikzentrum. Von hier verteilen die West-Alliierten Tonnen lebensrettender Güter in das abgeriegelte West-Berlin. Im Juni 1948 hat die Rote Armee alle Land- und Wasserwege gesperrt, denn West-Berlin soll in die sowjetische Besatzungszone gezwungen werden. Die Wasserlandungen auf der Havel sind ein Pfeiler der alliierten „Luftbrücke“ und tragen dazu bei, dass die Sowjets ihre Blockade im darauffolgenden Jahr ergebnislos abbrechen müssen.

Doch die Geschichte der Havel beginnt bereits im Mittelalter. Die Bevölkerung der Mark Brandenburg macht die Flüsse Havel, Spree und Dahme durch Aufstauen schiffbar. Seit dem 16. Jahrhundert vernetzen die Kurfürste der Hohenzollern die märkischen Wasserstraßen mit Kanälen. Mit 800 Kilometern entsteht das zweitlängste Wasserstraßennetz des Kontinents, seit 1821 betreut von der Preußischen Wasserbauverwaltung. Bis ans Ende des 19. Jahrhunderts ist es die Güterschifffahrt – und noch nicht die Eisenbahn –, die das boomende Berlin hauptsächlich mit Massengütern aus Sachsen, Böhmen und Schlesien versorgt.

Auf die Blüte dieses „Zweistromlandes zwischen Elbe und Oder“ in den 1930er-Jahren folgt sein Niedergang nach dem Zweiten Weltkrieg. Die meisten wassertechnischen Anlagen sind zerstört, mehr als die Hälfte der Wasserstraßen für den Verkehr gesperrt. Die deutsche Teilung und eine Bestimmung des Potsdamer Abkommens 1945 erweisen sich als fatal. Die sowjetische Militäradministration soll alle Wasserstraßen der Hauptstadt verwalten, auch jene in West-Berlin. Schon bald kommt es zum Zerwürfnis: Die DDR riegelt den Teltowkanal, eine der Hauptschlagadern des Wasserstraßennetzes, bis 1981 ab.

Heute sind die Bundeswasserstraßen in und um Berlin wieder ein wesentlicher Teil des Verkehrssystems, allen voran die Havel. Der Elbe-Havel-Kanal, die Untere Havel-Wasserstraße und der Havelkanal schaffen die zentrale West-Ost-Verbindung für Güterschiffe in Richtung Oder und Ostsee. Nicht zuletzt steuern auch immer mehr Sport- und Freizeitschiffer auf der Havel ins Berliner Stadtgebiet.

Über die Geschichte der Berliner Wasserstraßen mehr in den Meilensteinen der Industriekultur.

Ein Grundwasserbrunnen am Havelufer
Wandgemälde am Wasserwerk, das zwei Arbeiter zeigt, von denen einer in einen Grundwasserbrunnen hinabsteigt.
Einer der 80 Grundwasserbrunnen entlang des Havelufers, die Berlin mit Trinkwasser versorgen. | © bzi, Foto: Max Braun
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Entlang des Havelufers

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Grundwasserbrunnen des Wasserwerk Beelitzhof

Brunnengalerie

223 Millionen Kubikmeter Trinkwasser verbrauchen die Berlinerinnen und Berliner im Jahr. Das ist beinahe ein volles Olympiastadion jeden Tag. Das Wasser kommt fast ausschließlich aus Wasserschutzgebieten innerhalb der Stadtgrenzen. Die Schutzgebiete machen etwa ein Viertel der Stadtfläche aus. Über 650 Grundwasserbrunnen holen das Wasser an die Oberfläche. In riesigen Rohren fließt es dann in eines der insgesamt neun Wasserwerke. Die Brunnen sind das Rückgrat der Berliner Wasserversorgung.

Die über 80 Grundwasserbrunnen des Wasserwerks Beelitzhof erstrecken sich entlang des Havelufers von der Halbinsel Schildhorn bis zum Strandbad Wannsee, das sich in der Nähe des Wasserwerks befindet. Einige Exemplare der Brunnen reichen bis 170 Meter in die Erde und zählen damit zu den tiefsten Brunnen in der Stadt.

Die Brunnen entlang des Havelufers stehen auch für eine Besonderheit des Berliner Trinkwassers: Es wird zu 30 % aus Tiefengrundwasser und zu 70 % aus sogenannten Uferfiltrat gewonnen. Uferfiltrat entsteht, wenn Oberflächenwasser, zum Beispiel aus der Havel oder Spree, über Monate hinweg durch viele Sandschichten ins Grundwasser sickert.

Unter den massiven Stahldeckeln der Brunnengalerie verbergen sich, tief unten in den Schächten, meterhohe Filter. Erst nachdem das Wasser die Filter passiert hat, wird es über Rohre zum Wasserwerk Beelitzhof gepumpt. Mit der Zeit verstopfen allerdings Sand, Eisen und Mangan die Filter. Deswegen müssen Teams der Berliner Wasserbetriebe die Grundwasserbrunnen dann im sogenannten Impulsverfahren wieder Instand setzen. Dies gelingt mit kontrollierten Unterwasser-Sprengungen und kleinen Gasexplosionen. Dadurch bewegt sich das Wasser im Schacht etwa eine Woche lang, bis auch die kleinsten Schmutzpartikel aus den Filtern gelöst sind.