Blick auf eine eingeschossige Baracke zwischen Bäumen und Sträuchern.
Historisches Foto einer eingeschossigen Baracke aus Holz.
Vor einem blühenden Baum steht eine weiße Bank mit Informationen über das ehemalige Zwangsarbeiterlager.
Betonbank am Gedenkort Krumpuhler Weg. Ein Text erklärt die Geschichte des Ortes. Auf der Sitzfläche ist ein Lageplan abgebildet.
Der Historische Ort Krumpuhler Weg erzählt die Geschichte des Lagers für Zwangsarbeiter:innen. | © Museum Reinickendorf, C. Wasow-Kania
Adresse

Historischer Ort Krumpuhler Weg
Billerbecker Weg 123a
13507 Berlin-Tegel

Kontakt

Museum Reinickendorf
Tel.: 030 90294 6460
E-Mail: museum@reinickendorf.berlin.de

Anfahrt

Bus X33 bis Kamener Weg
Bus 133 bis Neheimer Straße

Öffnungszeiten

Gelände öffentlich zugänglich Mo. bis Fr. von 9:00 bis 16:00 Uhr

Zugang zum Museum auf Anfrage

Eintritt

Eintritt frei

Führungen

Auf Anfrage

Best of

Krieg und Frieden

Historischer Ort Krumpuhler Weg

Gedenk- und Informationsraum

Berlin ist während des Zweiten Weltkriegs ein industrieller Knotenpunkt. Die Kriegswirtschaft der NS-Diktatur lässt in der Hauptstadt beispielsweise Flugzeuge, Lokomotiven und Waffen produzieren. Um die immense Nachfrage nach Arbeitskräften zu stillen, lässt das Regime Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus ganz Europa ins Deutsche Reich verschleppen. Eines von über 3000 Berliner Lagern für diese der Heimat entrissenen Menschen entsteht zwischen 1942 und 1945 am Krumpuhler Weg in Berlin-Tegel. Mit 1.500 Insassen zählt es zu den größten Lagern der Stadt. Hier leben zunächst sogenannte „Ostarbeiter“, ab 1943 auch Männer und Frauen aus Frankreich sowie italienische Militärinternierte. Zwei Tochtergesellschaften von Rheinmetall-Borsig betreiben das Lager: die Rüstungsfirmen Altmärkische Kettenwerke (Alkett) sowie die Maschinen- und Gerätebau Tegel (Maget).

Ein Lageplan aus dem Jahr 1944 zeigt 38 Gebäude: Holzbaracken zum Wohnen, Werkstätten, eine Entlausungsanstalt und einen Schweinestall. Die Pförtnergebäude an den Eingängen dienen der Überwachung. Splitterschutzgräben geben notdürftig Schutz bei Bombenalarm.

Bis heute lassen sich alle historischen Schichten seit 1942 ablesen. Berlinweit existiert kaum ein anderes Zwangsarbeiterlager mit solch einer lückenlosen Dokumentation. Die im Krieg nicht zerstörten Gebäude dienen nach 1945 als Schulräume. 1950 entsteht ein Heim für „schwer erziehbare Mädchen“. Fünf Jahre später verwandelt sich das Areal schließlich in eine Gartenarbeitsschule mit Arboretum, einem Baumgarten. Seit den 1990er-Jahren stehen sowohl die gärtnerische Anlage als auch die Baracken unter Denkmalschutz – als zwei eigenständige Denkmäler.

Der Bezirk Reinickendorf eröffnet 2010 den Gedenkort „Historischer Ort Krumpuhler Weg“. Zehn künstlerisch gestaltete Betonbänke machen seitdem die verschiedenen Zeitschichten sichtbar. Einige der Bänke laden zum Verweilen im idyllischen Gartendenkmal ein. Andere hingegen stehen gekippt entlang der ehemaligen Lagerstraße und informieren über den Ort, die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und deren unmenschlichen Lebensbedingungen.

2016 richtet das Museum Reinickendorf in der ehemaligen Stallbaracke einen Gedenk- und Informationsraum ein. Das Gebäude ist nahezu im Originalzustand erhalten. Die Ausstellung konzentriert sich auf die Jahre als Zwangsarbeiterlager. Die Vitrinen füllen Fundstücke, die aus den Splitterschutzgräben geborgen werden konnten. Heute erzählen diese Gegenstände vom Alltag im Lager. Fotos, Dokumente und Pläne ergänzen die Ausstellung.

Der Gedenk- und Informationsraum dient zugleich als Geschichtslabor für Schulklassen. Hier finden Workshops und Projektwochen statt. Führungen und Veranstaltungen richten sich an die breite Öffentlichkeit. Der Historische Ort Krumpuhler Weg bietet vielfältige Möglichkeiten, sich mit einem dunklen Kapitel der Berliner Geschichte auseinanderzusetzen.

Ein Meilenstein der Industriekultur Berlin thematisiert die Rüstungsindustrie in Berlin.

Außenansicht eines Backsteingebäudes vor blauem Himmel. Links schließt ein Turm an.
Erkennbar sind mehrere Meter große Kupferpfannen, deren Rohre bis unter die hohe Decke reichen. In der Mitte des Bildes führt eine Treppe auf eine Empore mit Geländer.
Außenansicht eines Backsteingebäudes vor blauem Himmel. Seitlich angebaut ist ein Treppenhaus aus Beton, auf dem in großen Lettern KINDL steht. Ein Teil des Gebäudes ist mit einem Baugerüst verkleidet.
Blick in eine hohe Industrieshalle mit sehr großen Fenstern und glatten Wänden.
Der imposante Turm der ehemaligen Kindl Brauerei beeindruckt noch heute. | © Marko Funke, 2019
Adresse

KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst
Am Sudhaus 3
12053 Berlin-Neukölln

Kontakt

Tel.: 030/832 159 12 0
info@kindl-berlin.de
www.kindl-berlin.de

Anfahrt

U-Bahn: U8 (Haltestelle Boddinstraße), U7 (Haltestelle Rathaus Neukölln)
Bus: M43, 166 (Haltestelle Morusstraße)

Öffnungszeiten

Mi.: 12:00 bis 20:00 Uhr
Do. bis So.: 12:00 bis 18:00 Uhr

Eintritt

YOU for KINDL: 10,00 € | KINDL for YOU: 7,00 € | Ermäßigt: 4,00 €
Bis 18 Jahre kostenfrei.

Kostenloser Eintritt an jedem ersten Sonntag im Monat.

Führungen

Regelmäßige Führungen zur Geschichte des Gebäudes und zu aktuellen Ausstellungen. Individuelle Führungen auf Anfrage.
www.kindl-berlin.de/kunstvermittlung

Barrierefreiheit

Das Gelände ist rollstuhlgerecht, es gibt Behindertenparkplätze und barrierefreie Toiletten.
Bei Veranstaltungen technische Hörunterstützung.

KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst

Ende des 19. Jahrhunderts ist Berlin eine Stadt des Biers und der Brauereien. Dazu gehört auch die 1872 gegründete „Vereinsbrauerei Berliner Gastwirte zu Berlin AG“, ab 1910 „Berliner Kindl-Brauerei AG“. Sitz des Unternehmens ist die Stadt Rixdorf. Seit 1920 gehört sie als „Neukölln“ zu Groß-Berlin, der damals zweitgrößten Metropole Europas.

Im Groß-Berlin der Weimarer Republik blüht das Geschäft, zumindest für die Kindl-Brauerei. In den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg übernimmt sie rund 20 Brauereien. Am Stammsitz in Neukölln baut Kindl die Produktion erheblich aus. Ab 1926 entsteht ein moderner, expressionistischer Gebäudekomplex nach dem Entwurf der Architekten Hans Claus und Richard Schepke. Der Stahlskelettbau mit seinem Turm und der Verkleidung aus dunkelrotem Klinker beeindruckt damals wie heute.

Im Fokus steht die Funktionalität: Alle Gebäudeteile unterstützen optimal die einzelnen Arbeitsschritte der Bierherstellung. Im markanten Turm befinden sich ein stählerner Wasserbehälter, Silos für Malz und Schrotmühlen. Mit Hilfe der Schwerkraft durchläuft das Malz die einzelnen Produktionsschritte. Das Herzstück des Sudhauses sind sechs große Kupferpfannen. In ihnen entsteht die Würze, der Grundstock für das Bier. Die dafür benötigte Energie und Prozesswärme liefert das angegliederte Kesselhaus.

Während der NS-Diktatur bemüht sich Berliner Kindl früh um die Auszeichnung eines „Nationalsozialistischen Musterbetriebs“, die sie ab 1937 führt. Im Zweiten Weltkrieg müssen Zwangsarbeiter:innen aus Frankreich und Polen sowie sowjetische Kriegsgefangene für Kindl arbeiten. Alliierte Bombenangriffe beschädigen die Brauerei 1944 schwer. Nach Kriegsende demontiert die Sowjetische Militäradministration nahezu die gesamten technischen Anlagen und bringt diese als Reparationsleistung nach Russland.  

Erst 1947 fließt das erste Nachkriegsbier. Der umfangreiche Wiederaufbau und die Neuausstattung des Sudhauses erfolgen schließlich Anfang der 1950er-Jahre. Verantwortlich hierfür ist der Architekt Gerhard Fritsche. Er ist vor allem für seine Kinobauten bekannt, darunter der Berliner Zoo-Palast. Auch dem Sudhaus verleiht er ein ganz besonderes Ambiente. 2006 stellt die Kindl-Brauerei AG die Produktion in Neukölln endgültig ein und verlagert sie nach Berlin-Weißensee.

2011 erwerben Salome Grisard und Burkhard Varnholt das leerstehende Brauereigebäude. Nach behutsamer Sanierung ist das ehemalige Sudhaus heute ein Kulturtreffpunkt. Seit 2016 beherbergt es das unabhängig kuratierte „KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst“. In Ausstellungen und Veranstaltungen findet internationale Gegenwartskunst statt. Im rund 20 Meter hohen Kesselhaus entstehen jährlich eigens für diesen Raum entwickelte Installationen bedeutender Künstler:innen. Im früheren Sudhaus mit seinen Sudpfannen befindet sich heute das Café Babette.

Die Vergangenheit des Gebäudes als Brauerei ist weiterhin lebendig: Seit 2009 stellt die Privatbrauerei „Am Rollberg“ hier Craft-Bier her, das im Café und im hauseigenen Biergarten ausgeschenkt wird. In der warmen Jahreszeit sitzen Gäste wie vor über 100 Jahren draußen und genießen im Biergarten ein kaltes Getränk – und die Sicht auf die imposante Industriearchitektur.

Der Waldenser Hof in Berlin Moabit, ein Gebäude aus gelbem Backstein.
Historischen schwarz-weiß Bild aus dem 19. Jahrhundert. Zu sehen ist eine Pferdekutsche mit Passagieren und Kontrolleur.
Historischen schwarz-weiß Bild aus dem 19. Jahrhundert. Zu sehen ist eine Pferdekutsche unterwegs zum Halleschen Tor.
Historischen schwarz-weiß Bild aus dem 19. Jahrhundert. Zu sehen ist eine von Pferden gezogene Straßenbahn am Alexanderplatz
Der Waldenser Hof wie man ihn heute in Berlin sehen kann. | © Andreas FranzXaver Süß
Adresse

Waldenserstraße 2-4,
10551 Berlin-Moabit

Waldenser Hof

Ende des 19. Jahrhunderts prägen vorwiegend Pferde das Berliner Verkehrsnetz. Heute erinnern allerdings nur noch wenige Gebäude daran. Eine der letzten verkehrstechnischen Einrichtungen dieser Art ist der Waldenser Hof in Berlin-Moabit, erbaut 1891 von der „Großen Berliner Pferde-Eisenbahn AG“.

Mit der Industrialisierung um 1900 steigt die Zahl der Berliner Bevölkerung in nur wenigen Jahren auf 1,8 Millionen Menschen. Dazu kommen um die 50.000 Pferde, von denen circa die Hälfte im Verkehrswesen eingesetzt werden. Trotz der beginnenden Motorisierung ist der „Hafermotor“ lange die treibende Kraft des Berliner Verkehrs. Pferde setzt man für den innerstädtischen Personen- und Warenverkehr, aber auch bei der Polizei und der Feuerwehr ein. Sie ziehen Busse, Droschken und Straßenbahnen auf Schienen durch die Stadt.

Der Waldenser Hof ist an das Netz der Straßenbahn angebunden und bietet Platz für über 500 Pferde. Um bei den steigenden Grundstückspreisen in Berlin Fläche zu sparen, entstehen Etagenställe. Im fünfstöckigen Pferdestall- und Speichergebäude befinden sich im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss die Stallungen. Über breite Rampen im Inneren des Gebäudes gelangen die Tiere von einer Etage in die andere. Pro Tag legen die Tiere eine Strecke von ungefähr 26 Kilometern bei einer Geschwindigkeit von sieben bis zehn Stundenkilometern zurück. Damit sich die Pferde erholen können und um zu vermeiden, dass sich Krankheiten ausbreiten, weiden sie regelmäßig in Brandenburg.

Mit der ersten elektrischen Straßenbahn der Firma Siemens & Halske in Lichterfelde bricht 1881 ein neues Zeitalter der Mobilität in Berlin an. 1902 endet die Arbeit für den „Hafermotor“. Schon 11 Jahre nach seiner Einweihung stellt der Waldenser Hof und mit ihm die gesamte Berliner Pferdebahn den Betrieb ein. Nach einigen Umbauten wird der Betriebshof seit 1924 als Gewerbehof genutzt.

Heute befinden sich im Waldenser Hof Gewerbe-Lofts, Büros, Ateliers sowie Schulungsräume. Nur noch wenige Spuren erinnern an die tierischen Bewohner.

Dieser Ort ist übrigens Teil unserer Publikation „Berliner Schriften zur Industriekultur“ Band 3.


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Die Gebauer Höfe in Berlin-Charlottenburg, am Wasser liegende Backsteingebäude.
Ein schwarz-weiß Foto von einem Raum in dem Maschinen zur Textilverarbeitung stehen.
Ein schwarz-weiß Portrait von Friedrich Gebauer.
Eine schwarz-weiße Zeichnung der Gebauer Höfe. Aus den Schornsteinen steigt Rauch auf.
Außenansicht der Gebauer Höfe am Spreeufer | @ bzi, Foto: Andreas FranzXaver Süß, 2022
Adresse

Franklinstraße 11–15A, 22
10587 Berlin-Charlottenburg

Gebauer Höfe

Das Gelände der Gebauer Höfe ist seit dem 19. Jahrhundert eng mit der Textilindustrie verwoben. 1839 zieht der damalige Firmeninhaber G. H. Bretsch mit seinem Betrieb auf das Areal am Spreeufer. Dort gründet er die erste chemische Bleicherei Deutschlands. Das Geschäft floriert. Als Friedrich Gebauer 1862 die Textilfirma übernimmt, sind die Fabrikanlagen zunächst überschaubar. Das Gelände besteht damals lediglich aus einem zweigeschossigen Wohnhaus, einem hölzernen Trockenturm sowie einigen Fachwerkhäusern. In den folgenden Jahrzehnten gestaltet Gebauer das Gelände maßgeblich um. So entstehen unter dem neuen Namen „Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt Fr. Gebauer“ diverse Gebäude, die zur Veredelung von Stoffen dienten. Heute umfasst der Gewerbekomplex rund 20.000 Quadratmeter Grundfläche.

Der Umbau ist allerdings erst der Beginn der Unternehmensentwicklung. Gebauer ist innovativ: er nutzt seine Erfahrung, um Maschinen zu verbessern und neue zu entwickeln. So entsteht beispielsweise in Schlesien eine eigene Eisengießerei und Maschinenbauanstalt zur Belieferung des Gewerks. 1882 nimmt Gebauer seine Söhne Julius, Fritz und Oskar als Teilhaber in den Betrieb auf.

Das Familienunternehmen schreibt die Erfolgsgeschichte weiter und entwickelt zahlreiche Patente, darunter das erste elektronische Bleichverfahren. Der wirtschaftliche Höhepunkt ist um 1910 mit fast 2.000 Beschäftigten und Niederlassungen in der ganzen Welt erreicht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stellt die Firma aufgrund enormer Kriegsschäden den Betrieb ein. Seit den 1990er-Jahren werden die teils denkmalgeschützten Gebäude umfassend saniert und baulich erweitert. Dabei soll die historische Substanz erhalten bleiben. Eine Inschrift im gepflasterten Boden verweist auf die Geschichte des Ortes. Ein Großteil des Areals ist öffentlich zugänglich.

Die Gebauer Höfe sind außerdem Teil der Publikation „Berliner Schriften zur Industriekultur“ Band 3.


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Frontales Foto, das das Flughafengebäude mit dem beleuchteten Schriftzug ZENTRALFLUGHAFEN zeigt. Der Eingang sowie zwei Fenster im obersten Stock sind erleuchtet.
Weitwinklig aufgenommenes Foto der hohen Eingangshalle (Abfertigungshalle) im Flughafen Tempelhof. Markant sind die dicken rechteckigen Säulen, die die Decke stützen. In der Mitte des Raums sieht man ein Gepäckband.
Historisches Foto in schwarz-weiß, das Menschen nach dem Aussteigen aus einer Propellermaschine zeigt. Im Vordergrund stehen einige Reisekoffer.
Das hochkant aufgenommene Foto zeigt den Eingang zum ehemaligen General Aviation Terminal mitsamt der Straße davor. Im Hintergrund sieht man blauen Himmel mit einigen weißen Wolken.
Der Schriftzug befindet sich bis heute über dem Haupteingang am Ehrenhof. | © bzi, Foto: Max Braun
Adresse

Flughafen Tempelhof
12101 Berlin-Tempelhof

Industriekultur erleben

Fahrradroute: Flieger und Feldlerchen

Zentralflughafen im Seitentrakt

Endlich ziviler Luftverkehr

Die Flugzeugtür öffnet sich, jemand schreitet die Gangway hinab, Blitzlichtgewitter und plötzlich jubeln die wartenden Fans. Wenn Prominente aus Musik, Film, Mode und Politik am West-Berliner Zentralflughafen landen, machen Fotografen daraus ein Medienereignis. In der Nachkriegszeit ist der Luftweg der einzige ungehinderte Zugang in die isolierte Inselstadt – ohne die teils schikanösen Grenzkontrollen der DDR. Der Zentralflughafen wird West-Berlins „Tor zur Welt“.

Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg ist der unvollendete Neubau des Flughafens Tempelhof vor allem ein Militärstützpunkt der US-Luftwaffe. Erst nach dem Ende der Luftbrücke 1948/49 erlaubt der amerikanische „Hohe Kommissar für Deutschland“ in einem kleinen Teil der riesigen Anlage zivilen Flugverkehr. Der beginnt am 9. Juli 1951 ohne deutsche Piloten. Nur Fluglinien der West-Alliierten dürfen den West-Berliner Flughafen anfliegen. Dazu gehören American, Air France, British European Airways sowie die American Overseas Airline (AOA), die später mit Pan Am fusionierte.

Auch die zentrale Abfertigungshalle am Ehrenhof geben die Amerikaner erst später frei. Heinrich Kosina, einer der Architekten des alten „Flughafen Berlin“ von 1923, baut deshalb den westlichen Seitentrakt in einen Abflugs- und Ankunftsbereich um. Erst ab 1962 darf die Berliner Flughafengesellschaft die große, monumentale Abfertigungshalle und die angrenzenden Verwaltungsgebäude rund um den Ehrenhof nutzen. Der Schriftzug ZENTRALFLUGHAFEN zieht jetzt vom westlichen Seitentrakt an den zentralen Haupteingang um. Tempelhof ist bald der meistfrequentierte deutsche Airport.

Von 1994 bis 2008 zieht in den westlichen Seitentrakt nochmal Leben ein. Das General Aviation Terminal (GAT) öffnet für den Flugbetrieb von Privat- und Geschäftsreisenden. Nach und nach werden kritische Stimmen über den innerstädtischen Flugbetrieb aber immer lauter. Ein Volksentscheid zum Weiterbetrieb des Berliner Flughafens Tempelhof scheitert. 2008 hebt das letzte Flugzeug am ehemaligen Zentralflughafen ab.

Dynamisch fotografierter Ausblick von der Dachterrasse des THF Towers. Das Foto ist perspektivisch verzerrt. Im Hintergrund sind markante graue Wolken über dem restlichen Gelände zu sehen.
Außenansicht des ehemaligen Fluglotsentowers. Das längliche, rechteckige Gebäude besteht aus hellbraunem Stein und überragt die beiden anderen Gebäude links und rechts von ihm.
Auf der Dachterrasse gibt es Platz für Events, Konzerte und Yoga. | © Tempelhof Projekt GmbH / Claudius Pflug
Adresse

Tempelhofer Damm 45
12101 Berlin-Tempelhof

Industriekultur erleben

Fahrradroute: Flieger und Feldlerchen

THF TOWER mit Dachterrasse

Location mit spektakulärem Ausblick

Heute genießen Besucherinnen und Besucher den spektakulären Ausblick vom historischen THF-Tower und der neuen Dachterrasse. Bis 2008 nutzen Towerlotsen den uneingeschränkten Rundumblick während des Flugbetriebs. Sie kontrollieren von hier aus Landungen, Starts und sämtliche Bewegungen der Flugzeuge am Boden. THF war übrigens der Flughafencode für Tempelhof. Der Tower bildet den westlichen baulichen Abschluss des monumentalen Flughafens.

Fast 100 Jahre nach Errichtung des Towers stehen die Architektinnen und Architekten des Schweizer Büros :mlzd vor der Herausforderung, das ikonische, aber nie vollendete Bauwerk zu modernisieren. Die historische Treppe ist aus statischen Gründen nicht nutzbar – bleibt aber erhalten. Mit einer zusätzlich eingehängten modernen Stahltreppe machen sie das historische Treppenhaus erstmals öffentlich zugänglich. In der obersten Gebäudeebene entwerfen sie eine Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche. Die neue Dauerausstellung „Ready for Take-Off – 100 Jahre Flughafen Tempelhof“ erzählt die Geschichte von Flugexperimenten, der Monumentalarchitektur des Gebäudes und der NS-Zeit über die Luftbrücke bis hin zur heutigen Nachnutzung als offener Ort für alle.

Die Tempelhof Projekt GmbH ist verantwortlich für die denkmalgerechte Erhaltung und Sanierung sowie für den Betrieb und die Entwicklung des Flughafens. Der barrierefrei zugängliche THF-Tower ist ein wichtiges Etappenziel bei der Umsetzung eines ganzheitlichen Nutzungskonzepts, mit dem der frühere Flughafen bis 2030 zu einem Begegnungsort für die gesamte Stadtgesellschaft werden soll.

Eine silbern-glänzende Propellermaschine steht teilweise unter der Überdachung des Hangars, der eine elegante Kurve nach hinten links beschreibt. Im Hintergrund sieht man Teile des Rollfelds sowie den ehemaligen Fluglotsentower.
Das Foto zeigt die horizontale Ausdehnung des Flughafengebäudes mit dem überdachten Hangar davor. Vor dem Hangar steht ein Flugzeug. Im Vordergrund sieht man das Rollfeld.
Ein detailliertes Foto der offen sichtbaren Stahlkonstruktion der Hangar-Überdachung mit Säulen.
Der Flugsteig und die anschließenden Hangars sind von einer stützenfreien Dachkonstruktion überdeckt – eine ingenieurtechnische Pionierleistung. | © bzi, Foto: Max Braun
Adresse

Flughafen Tempelhof
12101 Berlin-Tempelhof

Industriekultur erleben

Fahrradroute: Flieger und Feldlerchen

Hangars mit überdachtem Vorfeld

Ambitionierte Dachkonstruktion und Geheimschrift auf Beton

Heute verlassen Passagiere ein Flugzeug meist über eine geschlossene Gangway, die an die Türöffnung herangefahren wird. Am Großflughafen Tempelhof löst Architekt Ernst Sagebiel das Problem in den 1930er-Jahren genau umgekehrt. Hier rollt das ganze Flugzeug in die 380 Meter breite und 40 Meter tiefe, nach vorn offene Flughalle. Geschützt vor Wind und Wetter gelangen die Fluggäste von diesem überdachten Vorfeld zu Fuß direkt in die Empfangshalle. Das beeindruckende Kragdach, das ohne eine einzige Stütze auskommt, entwickelt der Ingenieur Arno Schleusner. Es überdacht auch die sieben Hangars, in denen Flugzeuge eingestellt und gewartet werden.

Während auf der Stadtseite monumentale Formen und teurer Muschelkalk den Machtanspruch des NS-Regimes vermitteln, zeigt sich hier auf der Flugfeldseite das moderne Stahltragwerk des Flughafenneubaus ganz offen. Obwohl die NS-Propaganda das „Neue Bauen“ anfeindet, folgen Industrie- und Verkehrsbauten in den 1930er-Jahren den neuen Prinzipien. Aber auch die funktionalen Hangars erfüllen einen politischen Zweck. Auf dem Dach sind Tribünen für 80.000 Menschen vorgesehen, die von dort aus Flugschauen der NS-Luftwaffe verfolgen sollen. Die meisten Treppenhäuser in den 13 Turmbauten bleiben jedoch unvollendet.

Seit 2015 sind in den Hangars 1 bis 3 und in temporären Containerbauten auf dem Gelände Geflüchtete untergebracht. Die übrigen Hangars und das Vorfeld sind regelmäßig Schauplatz von Events wie dem Fahrradfestival VELOBerlin.

Auf dem betonierten Vorfeld sind zahlreiche Markierungen zu sehen. Sie stammen aus unterschiedlichen Zeiten des Flughafenbetriebes und dienten der Verkehrsleitung, zum Beispiel für Flugzeuge, Helikopter, Bodenfahrzeuge und Fußgänger. Die Markierungen sind heute denkmalgeschützt.

Foto im Querformat, das zeigt, wie der weiße Radarturm alle anderen Gebäude im Umkreis überragt. Die Kuppel des Turms steht auf vier zylindrischen Pfeilern.
Historisches Foto in schwarz-weiß, das den Bau des Radarturms zeigt. Der obere, kuppelförmige weiße Teil des Turms ist noch am Boden und wird scheinbar in wenigen Augenblicken von einem Kran hochgezogen.
Die filigrane Bauform des 1982 errichteten Radarturms steht in bewusstem Kontrast zum monumentalen Baustil des Flughafens. | © Andreas FranzXaver Süß
Adresse

Columbiadamm 77
10965 Berlin-Tempelhof

Industriekultur erleben

Fahrradroute: Flieger und Feldlerchen

Radarturm der U.S. Army

Überwachung des Luftraums

Nach der Wiedervereinigung, am 1. Juli 1993, übergibt Majorin Frances P. Belford den Schlüssel zum Radarturm der U.S. Army an den Bundeswehr-Oberstleutnant Harald Herbst. Die Alliierten lösen die meisten ihrer Militärstützpunkte in Deutschland auf.

1982 entwirft Adolf Behrens den Radarturm. Mit seiner leichten, hellen Architektur grenzt er den 71 Meter hohen Turm bewusst gegen das monumentale Flughafengebäude ab. Die vier Stützen tragen eine runde Plattform, auf der die Radarkuppel sitzt. In diesem „Radom“ rotiert die eigentliche, sieben mal sieben Meter große Antennenanlage. Elektromagnetische Wellen werden von Hindernissen im Luftraum reflektiert und ermitteln so Lage und Entfernung der Flugobjekte. Im Kalten Krieg kontrolliert die Air Force von hier aus den Luftraum im sogenannten Ostblock, von Rügen bis Prag.

Schon Millimeterbewegungen der Kuppel würden die Aufzeichnungen der Antenne verzerren. Adolf Behrens verhindert das, indem er den Turmschaft in vier Stützen aufteilt. Windbewegungen übertragen sich so praktisch nicht auf die Kuppel. Die hinterlüftete Aluminiumverkleidung der Stützen verhindert außerdem, dass sich der Radarturm unter Sonneneinstrahlung zu sehr verformt. Sichtbar verändert hat den Turm nur eine Modernisierung im Jahr 2004. Das alte, an einen Golfball erinnernde Radom wird durch die heutige kugelglatte Kunststoffhülle ersetzt.

Anders als die verwaisten US-Radome auf dem Teufelsberg dient der Tempelhofer Radarturm nie nachrichtendienstlichen Zwecken, sondern allein zur Luftraumüberwachung. Dafür setzt ihn bis heute auch die Luftwaffe der Bundeswehr ein. Rund 30 Soldaten betreiben das Radar auf dem inzwischen denkmalgeschützten Turm.

Frontale Aufnahme eines alten Flugzeugs im Gras. Witterungsspuren zeigen, dass es schon eine Weile nicht mehr in Benutzung ist.
Die Feuerwehr nutzt das Übungsflugzeug, um auf Notfälle vorbereitet zu sein. | © bzi, Foto: Max Braun
Adresse

Tempelhofer Feld
12101 Berlin-Tempelhof

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Fahrradroute: Flieger und Feldlerchen

Übungsflugzeug der Feuerwehr

Training für den Ernstfall

Das spätere Übungsflugzeug der Feuerwehr gehört in den 1980er-Jahren zur kleinen Flotte der „Tempelhof Airways“. Die amerikanische Regionalfluggesellschaft ist 1981 eine der ersten am wiedereröffneten Flughafen Tempelhof. Im Auftrag des IT-Unternehmens Nixdorf pendeln ihre kleinen Zubringermaschinen zwischen dem Firmensitz Paderborn und West-Berlin. Bald folgen weitere Flugverbindungen von Kleinflughäfen in der Bundesrepublik nach Tempelhof. Die zwei „Nord 262“-Flugzeuge der Tempelhof Airways-Flotte sind prädestiniert für diese Aufgabe.

Der französische Hersteller Nord Aviation entwickelt diese Flugzeuge in den 1960er-Jahren. Das Militär setzt sie beispielsweise für Ambulanz-Transportflüge ein. Zwei Besatzungsmitglieder und 29 Passagiere haben in der Maschine Platz. Am 17. Oktober 1987 rutscht die Nord 262 von der Landebahn des Flughafens Tempelhof. Insassen kommen dabei nicht zu Schaden und auch das Flugzeug kann schnell instandgesetzt werden. Aber die Maschine bleibt danach störanfällig.

Als 1988 moderner Ersatz eintrifft, mustert die Airline die alte „Nord“ aus und überlässt sie der Tempelhofer Flughafenfeuerwehr. Diese baut die beiden Turboprop-Motoren aus und überstreicht die Airline-Lackierung mit grüner Farbe. Mit dem neuen Übungsflugzeug trainiert die Feuerwehr die schnelle Evakuierung von Passagieren aus einem brennenden Flugzeug. Der Ernstfall einer solchen Katastrophe ereignet sich in Tempelhof zum Glück nie. Nach zahlreichen Flugunfällen während der Luftbrücke 1948/49 sterben keine weiteren Menschen auf dem Tempelhofer Feld.

Die Tempelhof Airways erleidet 1991 eine wirtschaftliche Bruchlandung und gibt ihren Betrieb auf. Ihre ausgemusterte Nord 262 dient bis zur Schließung des Flughafens 2008 noch als Übungsflugzeug der Feuerwehr.

Das Foto zeigt das von einem Zaun umgebene Drehfunkfeuer (DVOR) auf der Rasenfläche des Tempelhofer Felds. Das Drehfunkfeuer besteht aus einer niedrigen runden Konstruktion aus rot-weißen, dünnen Metallstäben.
Das Drehfunkfeuer (DVOR) sendet Signale, mit denen Pilot:innen den Landeflug sicher und präzise navigieren können. | © bzi, Foto: Max Braun
Adresse

Tempelhofer Feld
12101 Berlin-Tempelhof

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Fahrradroute: Flieger und Feldlerchen

DVOR-Drehfunkfeuer

Unsichtbarer Leuchtturm für Flugzeuge

Ein Doppler-UKW-Drehfunkfeuer, in englischer Abkürzung DVOR, ist ein wichtiges Element der Flugsicherung und -navigation. Es ermöglicht den „blinden“ Anflug (Instrumentenflug) auf eine DVOR-Station bei Nacht oder schlechten Sichtverhältnissen. Die aufgeständerte Anlage aus circa 50 Einzelantennen sendet dafür ein festes Bezugssignal sowie ein im Kreis drehendes Umlaufsignal aus. Die Bordtechnik im Flugzeug errechnet aus beiden Signalen Position, Kurs und Geschwindigkeit. Mittels dieser Signale können die Pilotinnen und Piloten den Landeflug sicher und präzise navigieren.

Die deutsche Firma Standard Elektronik Lorenz AG (SEL AG) errichtet von 1984 bis 1986 zwischen den beiden Landebahnen das bis heute am Flughafen Tempelhof erhaltene DVOR-Drehfunkfeuer. Damit ersetzt die Anlage eine ältere VOR-Station an gleicher Stelle. Das aufgeständerte DVOR über dem eingeschossigen rot-weiß verkleideten Technikbau ist für das Personal deutlich aufwändiger zu bedienen als ein einfaches VOR. Dafür arbeitet es aber auch zwei- bis dreimal präziser.

Bereits 1937 hatte die SEL AG das weltweit erste Instrumentenlandesystem am neuen Flughafen Tempelhof installiert.

Seit den 1950er-Jahren werden Luftstraßen in Deutschland entlang von VOR-Stationen geführt. Seit der Jahrtausendwende verliert diese terrestrische Navigation aufgrund der Entwicklung von GPS-Navigation allerdings an Bedeutung. Daher werden Drehfunkfeuer kontinuierlich zurückgebaut.