Luftbild der Schwartzkopff Siedlung mit Bahnhof
Schwartzkopff Siedlung Wildau
Schwartzkopff Siedlung TH Wildau
Schwartzkopff Siedlung BMAG Wildau um 1910
Direkt am S-Bahnhof liegt die Technische Hochschule Wildau. | © Foto: Helicolor Luftbild Ost GmbH

Schwartzkopff-Siedlung mit ehem. Werksgelände Stadt Wildau

Ende des 19. Jahrhunderts verlagert die Berliner Maschinenbau AG (BMAG) ihre Produktion vom Berliner Zentrum an diesen Standort, woraus sich das heutige Wildau entwickelt hat. 1897 beginnt der Bau der Schwartzkopff-Siedlung für die Arbeiter:innen und Angestellten am neuen Werksgelände. Der Name geht auf den Gründer der BMAG Louis Schwartzkopff zurück.

Bis 1918 entstehen ca.  950 Wohnungen, die den Betriebsangehörigen und ihren Familien sehr gut ausgestatteten Wohnraum bieten. Werk und Siedlung formen damals eine kleine Stadt mit Bahnhof, Schule, Turnhalle, Geschäften, Turn- und Festplatz, Postamt und Kirche. Besonders idyllisch gelegen sind Bootshaus, Badeanstalt sowie das „Casino“ als Kulturhaus. Die Dahme und der nahe gelegene Zeuthener See sind heute noch immer beliebte Ausflugsziele.

Die Werkssiedlung wird in den 1990er-Jahren denkmalgerecht und unter Einsatz von Mitteln der Städtebauförderung umfassend saniert. Die Wildauer Wohnungsbaugesellschaft erhält 2012 dafür als Eigentümerin den Deutschen Bauherrenpreis. Dort, wo früher Lokomotiven entstanden, befindet sich heute neben zukunftsorientiertem Gewerbe mit der TH Wildau die größte Technische Hochschule Brandenburgs. Wer mit offenen Augen über den Campus schlendert, entdeckt sogar eine Dampflok der Baureihe 52.

In der App Hearonymus ist ein Audioguide zur Industriekultur in Wildau verfügbar. Die zehn Kapitel führen durch 120 Jahre Stadtgeschichte.

Ausstellung im Stadt- und Industriemuseum Guben
Im Stadtmuseum Guben können Besuchende die Stadt- und Industriegeschichte erleben. | © Foto: Stadt-und-Industriemuseum Guben, 2011

Stadt- und Industriemuseum Guben

Wer weiß heute noch, dass das kleine Städtchen Guben einst das Zentrum der europäischen Hutindustrie war? 1927 arbeiteten in Guben insgesamt 7000 Menschen in der Hutfabrikation. Da, wo die unglaubliche Geschichte begann, wird sie heute erzählt: in der ehemaligen Hutfabrik C.G. Wilke.

Im Jahr 1854 gelang dem Gubener Hutmachermeister Carl Gottlob Wilke der Durchbruch. Mit einem Wollfilzhut aus Schafwolle, der seine Form behält und auch bei Regen und Schnee eine gute Wahl ist. Schon bald kam die kleine Werkstatt an ihre Grenzen. 1864 entstand eine erste große Fabrik. Weitere Werke siedelten sich an. Auf dem Höhepunkt, Ende der 1920er Jahre, stellten die Fabriken in der Stadt an der Neiße zehn Millionen Hüte im Jahr her. Auch in der DDR waren Gubener Hüte, allen voran der Vigu-Hut aus Polyvinylchlorid (PVC), beliebt. Nach der Wende kam das Aus. Heute existiert nur noch eine kleine Hutmanufaktur in der Stadt.

In der ehemaligen, sanierten Hutfabrik C.G. Wilke befindet sich inzwischen das Stadt- und Industriemuseum Guben. Unter 14 überdimensionalen Hauben, die von der Decke hängen, wird die Stadt- und Industriegeschichte erzählt. Lieblingsorte der Besucher sind eine echte sowie eine virtuelle Hutprobierstation und Virtual-Reality-Brillen, die einen Einblick in alte Handwerksberufe geben.

Ausstellungsraum des ZCOM Zuse Computer Museums Hoyerswerda
Ausstellungsraum des Zuse Computer Museums Hoyerswerda | © Foto: Andreas Franke, 2017

ZCOM Hoyerswerda

Die Z23 – auch „Die Zuse“ genannt – ist der Star des ZCOM Zuse-Computer-Museums in Hoyerswerda. Gewaltige Platinenschränke, Starkstromanschluss, Lochstreifenleser, Magnettrommelspeicher, ein Steuerpult wie für ein Kraftwerk: Der etwa eine Tonne wiegende Computer-Dinosaurier aus den frühen 1960er-Jahren zeigt, wie mühsam es war, Maschinen das Denken beizubringen.

Die Geschichte des Computers begann in den 1930er Jahren in einem Wohnzimmer in Berlin Kreuzberg. Hier werkelte der Student Konrad Zuse (1910-1995) in der elterlichen Wohnung an der ersten frei programmierbaren Rechenmaschine. Am 12. Mai 1941 präsentierte er schließlich die Z3, den ersten funktionsfähigen Computer der Welt mit einem Speicher von 64 Wörtern. Nach dem Krieg baute Zuse in Neukirchen, Hessen, eine Computerfirma auf: die Zuse AG.

1995 ernannte die Stadt Hoyerswerda den Computerpionier Konrad Zuse, der im Ort sein Abitur ablegt hatte, zum Ehrenbürger und zeigte anschließend eine erste Computerausstellung. 2017 eröffnete das ZCOM Zuse-Computer-Museum. Es widmet sich nicht nur seinem Namensgeber, sondern auch der Entwicklung der Computertechnik und den Herausforderungen des digitalen Zeitalters.

Gewerbehof Geneststraße Reichartstraße
Gewerbehof Geneststraße Innenhof mit Kacheln
Die Neubauten (1905/07) der Mix & Genest AG liegen an der Ecke Geneststraße/Reichartstraße. | © Foto: Norbert Gilson
Adresse

Geneststraße 5
10829 Berlin-Schöneberg

Best of

Produktion damals und heute

Gewerbehof Geneststraße (ehem. Mix & Genest AG)

Wegen des gestiegenen Platzbedarfs verlagerte die 1879 gegründete Actiengesellschaft Mix & Genest, Telephon-, Telegraphen- und Blitzableiter-Fabrik 1907 ihre Produktionsstätte. Sie zog von der Bülowstraße, dem heutigen „Gewerbehof Bülowbogen“, in einen neu errichteten Gebäudekomplex in Schöneberg. Mit ihrem „modernisierten“ Namen zählte die Mix & Genest AG zu den innovativsten Unternehmen der deutschen Elektroindustrie mit Weltgeltung.

1929 kam Mix & Genest jedoch unter das Dach einer internationalen Holding-Gesellschaft unter Führung der amerikanischen International Telephone and Telegraph Co. (ITT). Sie führte nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere deutsche Nachrichtentechnik-Unternehmen in der Standard Elektrik Lorenz AG (SEL) zusammen. Im Zuge dieser Entwicklung zog auch Mix & Genest 1948 nach Stuttgart um. 1973 übernahm die GSG Berlin den Komplex und wandelte ihn schließlich in den Gewerbehof Geneststraße um.

BMW-Motorrad am Eingang zum BMW Werk
Backsteinbauten in Spandau, BMW-Werk
Fabrikhallen BMW Motorrad Werk 1975
Arbeiter bei der Montage BMW Motorrad
i

Erbaut
1914, 1928, 1937

Bauherr
Preußischer Militärfiskus, Siemens & Halske

Architekt
Hans Hertlein u.a.

Früher
Produktion von Gewehren, Flugmotoren, Motorrädern

Heute
BMW Group Werk Berlin

Ein ausgestelltes Motorrad weist den Weg zum BMW Group Werk Berlin. | © BMW AG, München (Deutschland)
Adresse

Am Juliusturm 14-38
13599 Berlin-Spandau

Anfahrt

U-Bahn: U7 (Haltestelle Haselhorst)

Öffnungszeiten

Nur im Rahmen einer Führung zugänglich

Eintritt

Führungen kosten 11,90 € für Erwachsene und 9,00 € mit Ermäßigung

Führungen

90-minütige Führungen i.d.R. montags bis freitags
Alle Informationen unter www.visit-bmwgroup.com/erleben/fuehrung-werk-berlin/

Barrierefreiheit

ja, mit Anmeldung

Best of

Produktion damals und heute

BMW-Motorradwerk

Motorräder aus Spandau

BMW Motorräder fahren mit Berliner Luft in den Reifen. 800 Motorräder laufen täglich im Motorradwerk der BMW Group in Berlin-Spandau vom Band. An Werktagen öffnen sich hier die Tore auch für Besucherinnen und Besucher, die bei den Werksführungen die Faszination hochmoderner Fahrzeugproduktion erleben.

Die Geschichte des Produktionsstandorts beginnt Mitte des 18. Jahrhunderts, als König Friedrich Wilhelm I. nahe der Zitadelle Spandau eine Gewehr- und Munitionsfabrik für die preußische Armee errichten lässt. 1928 entsteht dann auf einem Teil des Geländes das Flugmotorenwerk von Siemens & Halske. Mit der Ausgliederung aus dem Siemenskonzern firmiert das Werk ab 1936 als Brandenburgische Motoren Werke GmbH (Bramo). Die Bayerischen Motoren Werke (BMW) übernehmen schließlich ab 1939 das Gelände und die Produktion. Seit 1949 ist das Werk auf die Produktion von Motorradteilen spezialisiert und zwanzig Jahre später verlässt das erste komplett in Berlin hergestellte BMW Motorrad das Werk. Seitdem werden hier, in teilweise denkmalgeschützten Gebäuden, BMW-Motorräder für den Weltmarkt produziert.

Lesen Sie mehr zum Industriestandort West-Berlin nach 1945.

Das BMW-Motoradwerk ist Teil unserer Publikation „Berliner Schriften zur Industriekultur“ Band 1.


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RAW-Friedrichshain mit Flohmarkt und vielen Besuchern
RAW-Friedrichshain, Backsteingebäude mit Grafittis
Die ehemalige Eisenbahn-Hauptwerkstatt II ist heute als „RAW-Friedrichshain“ bekannt. | © Foto: Andreas Muhs, 2014
Adresse

Revaler Straße 99
10245 Berlin-Friedrichshain

Kontakt

rawcc.org/
Tel.: O157 51 9OO 381

Best of

Transport und Verkehr

RAW-Friedrichshain (ehem. RAW II)

Das heute unter dem Namen RAW-Friedrichshain bekannte Gelände ist in seinen Anfangszeiten eine der wichtigsten Eisenbahnwerkstätten Berlins. Mit der Fertigstellung der Ostbahn in Berlin entsteht ab 1867 die Eisenbahn-Hauptwerkstatt Berlin II. Das Gelände zwischen Ostbahn, Warschauer Straße und Revaler Straße wird stetig durch neue Bauten für die Werkstätten, Verwaltung und auch soziale Einrichtungen ergänzt.

Das 1918 in Reichsbahnausbesserungswerk II (RAW II) umbenannte Areal fällt im Zweiten Weltkrieg teilweise den Bomben zum Opfer. Ab 1991 folgt dann die schrittweise Stilllegung des Werks. Doch bereits wenige Jahre später treibt der Kulturverein RAW-tempel e. V. die Umnutzung des Geländes voran. 2015 muss er jedoch Insolvenz anmelden. Heute befinden sich auf dem RAW-Friedrichshain neben Sportstätten auch Kultureinrichtungen, Gastronomie und Clubs. Der Verein RAW//cc e.V. bietet Rundgänge über das vielfältige Areal an.


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AEG-Humboldthain, Backsteingebäude mit Kran
AEG-Humboldthain, Fassadenansicht von der Straße
AEG-Humboldthain, Montagehalle
AEG-Humboldthain: das weitläufige Gelände mit Gewerbe und Forschung hat seinen industriellen Charme erhalten. | © GSG Berlin
Adresse

Brunnenstraße, Gustav-Meyer-Allee, Voltastraße, Hussitenstraße
13355 Berlin-Gesundbrunnen

Kontakt

rent@amplifier.berlin
Tel.: 030 84853855
www.amplifier.berlin/

Best of

Produktion damals und heute

AEG-Humboldthain

Imposante Fabrikstadt

Motoren, Maschinen, Eisenbahnmaterial und elektrische Geräte: die AEG-Humboldthain produziert von 1894 bis in die 1980er Jahre.

1894 muss das schnelle wachsende Unternehmen AEG neue Flächen für die Produktion schaffen. Unweit der AEG-Apparatefabrik in der Ackerstraße entsteht daher nach und nach eine imposante Fabrikstadt am Humboldthain. Die Architektur der beiden Standorte unterscheidet sich jedoch deutlich. Die Fassade der Apparatefabrik schmücken florale Elemente und aufwendige Verzierungen. Am neuen Standort Humboldthain setzen Architekten wie Peter Behrens hingegen auf eine neue Architektursprache. Besonders beeindruckend ist die monumentale Montagehalle für Großmaschinen im Stil der Neuen Sachlichkeit. Ohne Ornamente, stattdessen mit strengen und klaren Formen, repräsentiert die Architektur der Montagehalle die industrielle Produktion im Inneren.

1984 schließt der Standort AEG-Humboldthain und etliche Gebäude werden abgerissen. Das „Beamtentor“, gestaltet von Franz Schwechten, ist der ehemalige Eingang zum Gelände. Heute etwas verloren zwischen Neubauten in der Brunnenstraße 107 a, ziert das Denkmal ein Zahnrad als Symbol der Industrie. In den verbliebenen denkmalgeschützten Fabrikgebäuden sind u.a. ein Gründerzentrum, Medienunternehmen und die TU Berlin untergebracht. Noch immer verbindet ein Tunnel die Standorte Apparatefabrik und Humboldthain miteinander. Touren durch den AEG-Tunnel bietet inzwischen der Berliner Unterwelten e.V. an.


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Stadtgeschichtliche Museum Spandau in der Zitadelle mit Wassergraben
Motorrad und Auto im Stadtgeschichtlichen Museum Spandau
Außenansicht Zitadelle Spandau
Das Stadtgeschichtliche Museum Spandau befindet sich in der Zitadelle Spandau. | © Foto: Andreas FranzXaver Süß
Adresse

Am Juliusturm 64
13599 Berlin-Spandau

Öffnungszeiten

Mo-Fr. 10:00 bis 17:00 Uhr
Do 13:00 bis 20:00 Uhr

Best of

Krieg und Frieden

Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Industriegeschichte auf der Zitadelle

Geschützgießerei, Gewehr-, Patronen- und Munitionsfabriken sowie Pulverfabriken und Feuerwerkslaboratorien: All das zeugt bis heute davon, wie sich die Festungsstadt Spandau als Zentrum der preußischen Rüstungsindustrie Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelt. Dabei hat die Zitadelle Spandau eine wichtige militärische und auch repräsentative Funktion.

Im Zeughaus der Zitadelle befinden sich heute Museen zur Kultur-, Stadt-, Industrie- und Militärgeschichte Spandaus. Das Stadtgeschichtliche Museum zeigt zum Beispiel neben Objekten zur Rüstungsindustrie weitere vielfältige Spuren der Industriegeschichte Spandaus. Dazu gehören u. a. historische Siemens-Haushaltsgeräte und Filmrequisiten aus den in Spandau ansässigen CCC-Studios.

Von der Zitadelle Spandau aus lässt sich wunderbar die Industriekultur des Bezirks erkunden.


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Schrotkugelturm hinter blauem Haus
Schrotkugelturm zwischen Häusern
Schrotkugelturm in der Häuserzeile
Der Schrotkugelturm gilt als das Wahrzeichen der Victoriastadt. | © bzi, Foto: Max Braun
Adresse

Nöldnerstraße 15-16
10317 Berlin-Lichtenberg

Best of

Krieg und Frieden

Schrotkugelturm

Der Schrotkugelturm ist ein Wahrzeichen für den Kiez Victoriastadt und ein Symbol für technisch ausgeklügelte Herstellungsprozesse. Im Turm erhitzten Arbeiter der Maschinenfabrik Juhl & Söhne solange das Blei, bis die Tropfen anschließend knapp 40 Meter hinunterfielen. In den langen Fallrohren formten sich die Bleitropfen zu runden, nahtlosen Kugeln. Diese mussten Arbeiter danach nur noch aus dem Wasserbecken mit Korrosionsschutz am Fuße des Turms fischen. Fertig war der Produktionsprozess. Die Bleikugeln gingen anschließend in den Verkauf.

Der 1908 errichtete Schrotkugelturm ist der letzte dieser Art in Berlin und Brandenburg. Seine Fassadengestaltung erinnert an die Architektur der italienischen Renaissance. Interessierte können die knapp 200 Stufen zur Plattform des 1939 stillgelegten Turms im Rahmen von Führungen am Tag des offenen Denkmals oder Veranstaltungen emporsteigen.

Eingang zum runden Fichtebunker und Gasometer Fichtestraße
Türen mit Schatten im Fichtebunker Fichtestraße
Treppe und Registratur im Fichtebunker Fichtestraße
Nummern an der Wand im Fichtebunker Fichtestraße
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Erbaut
1883 - 1884, 1942

Bauherr
Städtische Gasbehälter-Anstalt

Architekt
Johann Wilhelm Schwedler

Früher
Gasspeicher, Bunker

Die Fassade des ehemaligen Gasometers Fichtestraße hat sich im letzten Jahrhundert kaum verändert. | © bzi, Foto: Florian Rizek
Adresse

Fichtestraße 6
10967 Berlin-Kreuzberg

Anfahrt

U-Bahn: U7 (Haltestelle Südstern)
Bus: M41 (Haltestelle Körtestraße)

Öffnungszeiten

Nur im Rahmen einer Führung zugänglich.

Eintritt

16 €, Ermäßigungen
Termine und Tickets im Online-Shop erhältlich, kein Ticketverkauf vor Ort.

tickets.berliner-unterwelten.de

Führungen

Die öffentlichen Führungen sind nicht für Kinder unter 7 Jahren geeignet.
Festes Schuhwerk ist notwendig, warme Kleidung wird empfohlen.

www.berliner-unterwelten.de/fuehrungen/oeffentliche-fuehrungen/geschichtsspeicher-fichtebunker

Barrierefreiheit

nicht barrierefrei zugänglich

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Krieg und FriedenStrom und Energie

Gasometer Fichtestraße (Fichtebunker)

Der letzte seiner Art

Der Gasometer Fichtestraße ist der älteste Gasbehälter, der in Berlin erhalten ist. Eine Erkundung durch das Innere des runden Backsteinbaus führt Neugierige in die Zeit der Industrialisierung Berlins und auf eine Reise durch 200 Jahre Stadtgeschichte.

1826 erhellen die ersten Gaslaternen das nächtliche Berlin. In den folgenden 20 Jahren baut ein Londoner Unternehmen die Straßenbeleuchtung stetig aus. Mitte des 19. Jahrhunderts übernimmt die Stadt die öffentliche Beleuchtung. Gas findet zunehmend auch in Privathaushalten Verwendung, deshalb steigt die Zahl der Gasanschlüsse auch mit der wachsenden Bevölkerung. Die städtischen Gaswerke Berlins entwickeln sich zum größten Gasversorger Europas. Die Gasanstalten produzieren kontinuierlich Gas, die Abnahme durch die Verbraucher aber schwankt. Deshalb müssen ausreichend Speicherbehälter zur Verfügung stehen. Auf freiem Feld entstehen in der Nähe der Hasenheide dazu ab 1874 vier nahezu baugleiche Gasbehälter aus Backstein. Der erhaltene Gasometer in der Fichtestraße entsteht 1883/84. Gleichzeitig beginnt die Elektrifizierung Berlins, deshalb verliert der Gasspeicher schon in den 1930er-Jahren seine Funktion.

Während des Zweiten Weltkriegs wird der Gasometer in der Fichtestraße zu einem Großbunker ausgebaut. Hier sollen Mütter, die in kriegswichtiger Produktion beschäftigt sind, mit ihren Kindern Zuflucht finden. Ausgeruht sollen die Frauen zur Arbeit erscheinen. Für 6.500 Menschen ist der Bunker geplant – bis zu 30.000 drängen sich Ende des Krieges zusammen. Nach dem Krieg bietet der Bunker bis in die 1950er-Jahre durchziehenden Flüchtlingen einen Schlafplatz. Ein intaktes Dach ist viel Wert im kriegszerstörten Berlin – und so dient der fensterlose Bunker noch bis Anfang der 1960er-Jahre als Altenheim und Obdachlosenasyl. Danach nutzt der West-Berliner Senat den Bunker als Lager für einen Notvorrat an Konserven und Hygieneartikeln.

Das Dach des Bunkers ist heute mit Lofts bebaut. Durch den weitgehend im Originalzustand erhaltenen Bunker führt seit 2008 der Verein der Berliner Unterwelten. Einst Leuchtgasspeicher und Zufluchtsort, konserviert dieser „Geschichtsspeicher“ heute die Geschichte der Stadt. 


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