Siedlung Oberschöneweide Peter Behrens
Siedlung Oberschöneweide Schule Zeppelinstraße
Ein Teil der Siedlung Oberschöneweide ist von Peter Behrens gestaltet, dem Chef-Designer der AEG. | © Foto: Andreas Muhs, 2013
Adresse

Zeppelinstraße, Fontanestraße, Roedernstraße
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Fahrradroute: Wasser und Strom

Siedlung Oberschöneweide

Wohnen mit kurzen Wegen

Mit der Industrie kommen die Menschen. Zwischen den Industrieflächen entlang der Spree und dem Grün der Wuhlheide entstehen auf der ehemaligen „Schönen Weyde“ ab Mitte der 1890er-Jahre groß angelegte Siedlungen. Zusammen mit der Industrie wächst die Siedlung Oberschöneweide bis in die 1980er-Jahre hinein weiter. Von anfangs nur 159 Einwohnerinnen und Einwohnern im Jahr 1890 erhöht sich die Zahl innerhalb von nur zehn Jahren um mehr als das 30-fache. 1920 leben bereits 25.600 Menschen in Oberschöneweide.

Die AEG beauftragt Ende des 19. Jahrhunderts renommierte Architekten mit dem Bau der Wohnsiedlungen. Die älteste Siedlung aus dem Jahr 1919 ist geplant von Peter Behrens und Gemeindebaurat J. Th. Hamacher. Küche, Bad und Innentoilette sorgen in jedem Haus für eine moderne Ausstattung. Angeschlossene Nutzgärten sollen zur Erholung und Selbstversorgung beitragen.

Mit dem Abbau der Arbeitsplätze an der Oberspree in den 1990er-Jahren steht damals auch die Zukunft des Wohnquartiers infrage. Inzwischen ist die geschichtsreiche Siedlung zu großen Teilen vorbildlich saniert und wieder gefragt: bei jungen Familien und Hochschulangehörigen der HTW Berlin. Wer mit offenen Augen durch die Siedlung läuft, erkennt heute noch die unterschiedlichen Wohnkonzepte und architektonischen Details: Ein- und Mehrfamilienhäuser, farbige Fensterläden und verzierte Türen. In ganz Oberschöneweide leben inzwischen wieder knapp 24.000 Menschen.

Die Siedlung Oberschöneweide ist Teil unserer Publikation „Berliner Schriften zur Industriekultur“ Band 2.


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Grabstätte Familie Rathenau
Grabstätte Familie Rathenau
Grabstätte Rathenau Friedhofskapelle
Die Grabstätte der Familie Rathenau liegt im Waldfriedhof Oberschöneweide. | © bzi, Foto: Max Braun, 2020

Grabstätte Familie Rathenau

Zeugnis der Verbundenheit

Der wachsende Industriestandort Oberschöneweide wird um 1900 zur Heimat vieler Menschen. Der Gründer der AEG, Emil Rathenau, stiftet der jungen Gemeinde einen Waldfriedhof mitten in der Wuhlheide. Statt wie für jüdische Familien typisch, lassen sich die Rathenaus nicht auf einem jüdischen Friedhof beerdigen, sondern wählen genau diesen Waldfriedhof als ihre letzte Ruhestätte. Das Grab der Familie Rathenau ist bereits vom Eingangstor sichtbar. Gestaltet hat die Grabstätte 1903 ein Architekt mit sozialer Ader: Alfred Messel. Er errichtet damals unter anderem vorbildliche Wohnanlagen für „kleine Leute“. Der Bau des Wertheim-Warenhauses unweit des Potsdamer Platzes macht ihn 1897 berühmt.

Beerdigt sind in der Grabstätte: Emil Rathenau (†1915), seine Frau Mathilde (†1926) und ihr Sohn Erich (†1903). Erich, der schon in jungen Jahren das AEG-Kabelwerk leitet, ist die große Hoffnung des Vaters. Jedoch verstirbt er auf einer Reise nach Ägypten und wird als einer der ersten auf dem Friedhof beerdigt. Auch Sohn Walther Rathenau (†1922), der deutsche Außenminister, ist hier begraben. Er stirbt durch ein Attentat vor seiner Villa in Berlin-Grunewald, nachdem die nationalistische Presse mehr oder weniger unverblümt zum Mord an dem jüdischen Politiker aufruft.

Nachdem die Grabanlage lange vernachlässigt wurde, startet 2011 eine umfangreiche Restaurierung. Die schweren Beschädigungen an der Mauer aus weißem Muschelkalkstein und an den Särgen der Familie sind inzwischen behoben.

Kraftwerk Oberspree
Kraftwerk Oberspree Detail in der Klinkerfassade
Industriegeschichte in Schöneweide am Beispiel Kraftwerk Oberspree, historische Aufnahme
Kraftwerk Oberspree Wilhelminenhofstraße
Das Kraftwerk Oberspree ist das erste Drehstromkraftwerk Europas. | © Foto: Andreas Muhs, 2013
Adresse

Wilhelminenhofstraße 78
12459 Berlin-Oberschöneweide

Führungen

Industriesalon Schöneweide
Fr. 14:00, So. 12:00 Uhr
und auf Anfrage.
Bitte Website beachten
(Anmeldung erbeten)!

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Kraftwerk Oberspree

Palast der Energie

Ende des 19. Jahrhunderts errichtet die AEG am neuen Industriestandort im Südosten Berlins zunächst das Kraftwerk Oberspree. 1897 ist das erste Drehstromkraftwerk Europas eine technische Sensation. Dank der modernen Technik kann Strom verlustarm über längere Distanzen übertragen werden. Architekt Paul Tropp lässt sich für die Gestaltung des Kraftwerks vom Palais des Beaux Arts inspirieren. Dieser Palast der Schönen Künste ist 1855 auf der Pariser Weltausstellung zu sehen.

Das Kraftwerk macht Oberschöneweide unter Ingenieuren und Stadtplanern bekannt. Von nah und fern reisen sie an, um das Wunderwerk der „Elektropolis“ zu bestaunen. Die Kraft der Elektrizität ist schon von außen zu sehen: Die Fassade der Turbinenhalle schmücken Ornamente mit Blitzen, Zahnrädern sowie Überlandleitungen. Das Kühlwasser kommt übrigens direkt aus der Spree.

Das Kraftwerk Oberspree versorgt die Vororte Berlins mit Strom und erleuchtet damit die Stadt über ihre Grenzen hinaus. Außerdem hat es eine Sogwirkung für die Ansiedlung neuer Betriebe. Erster Großabnehmer sind die nahe gelegenen AEG-Kabelwerke. Rund 35 Jahre danach geht 1933 das Kraftwerk vom Netz. Mit dieser Entscheidung wird allerdings der Bau eines neuen Umspannwerks für Oberschöneweide nötig, um den hochgespannten Strom vor Ort auf niedrige Voltzahlen umzuspannen.

In das Umspannwerk von 1933 zieht 2013 die renommierte Skulpturengießerei Knaak ein. Das Kraftwerk Oberspree steht jedoch lange Zeit weitgehend leer. Im Frühjahr 2022 eröffnet in der Turbinen- und Maschinenhalle die „MaHalla“, ein riesiger internationaler Kreativ-Freiraum.

Das Kraftwerk Oberspree ist Teil unserer Publikation „Berliner Schriften zur Industriekultur“ Band 2.


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Evangelische Friedenskirche Niederschöneweide
Evangelische Friedenskirche Niederschöneweide
Evangelische Friedenskirche Niederschöneweide
Die Architektur der Evangelischen Friedenskirche in Niederschöneweide erinnert an ein Industriegebäude. | © bzi, Foto: Max Braun, 2021

Evangelische Friedenskirche

Kirche im Industriedesign

Neben der vielbefahrenen Schnellerstraße in Niederschöneweide liegt die Evangelische Friedenskirche. Ihr Westturm erinnert an den Förderturm eines Bergwerks und weniger an einen klassischen Kirchturm. Tatsächlich haben die Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer 1930 auch die berühmte Schachtanlage der Zeche Zollverein in Essen gestaltet. Dieses technische und ästhetische Meisterwerk der Moderne gilt heute als das Wahrzeichen des Ruhrgebiets.

Pläne für eine evangelische Kirche gab es im wachsenden Industriestandort Niederschöneweide bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Doch die finanziellen Mittel erlauben erst 1929 den Bau der Friedenskirche. Das Gebäude aus dunklen Klinkern vereint Industrie- und Kirchenarchitektur der Moderne. Im Inneren sind das Gebäude und der Altar aus hellem Kalkstein im Stil der Neuen Sachlichkeit gestaltet. 1944 brennt nach einem Kurzschluss das Dach der Kirche inklusive der Orgel aus. Der Wiederaufbau erfolgt 1952.

Lampenfabrik Leuchtenfabrik
Lampenfabrik Leuchtenfabrik
Die Lampenfabrik Frister liegt an der Ecke Wilhelminenhofstraße und Edisonstraße. | © bzi, Foto: Max Braun, 2020
Adresse

Wilhelminenhofstraße 87
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Lampenfabrik Frister

Von der Lampenfabrik zur Leuchtenfabrik

Zwei beeindruckende gelbe Klinkerbauten markieren die Ortseinfahrt nach Oberschöneweide: die Rathenau-Hallen und die Lampenfabrik Frister. Heutzutage kommen hier täglich Tausende Autos, Dutzende Trams und Hunderte Menschen zu Fuß oder per Rad vorbei. Vor mehr als 120 Jahren ist die Lampenfabrik eines der ersten Gebäude am damaligen Industriestandort Schöneweide.

Die Frister AG gründet 1897 die Fabrik direkt an der Spree. Bis 1916 füllt die größte Lampenfabrik Europas das Areal zwischen Wilhelminenhofstraße und Spree. Die verschiedenen Bauabschnitte sind an der Fassade sichtbar. Zur Straße hin sind die Fenster abgerundet, die Backsteine farbig gestaltet. Zum Fluss hingegen ist die geradlinige Architektur der Moderne um 1916 erkennbar.

In den 1920er-Jahren arbeiten 900 Beschäftigte bei Frister. Elektrisch betriebene Beleuchtungskörper sowie Kronleuchter und Tischlampen verlassen täglich die Fabrik. Das Unternehmen ist erfolgreich und nach dem Ersten Weltkrieg einer der größten Lampenhersteller Europas. Die Weltwirtschaftskrise setzt Frister allerdings schwer zu. 1933 übernimmt nach dem Konkurs der Lampenfabrik die Wärmegeräte GmbH das Gebäude.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht das Institut für Nachrichtentechnik ein, eine Forschungseinrichtung der DDR. Eingeweihte sprechen von einem Stasi-Betrieb, der für das Ministerium für Staatssicherheit arbeitet. Für den gesamten Ostblock produziert das Institut Nachrichtensysteme.

Künstlerinnen und Künstler erobern nach dem Fall der Mauer den Gebäudekomplex. In den Jahren danach wechselt das Areal mehrfach den Eigentümer. Inzwischen heißt das Gelände Leuchtenfabrik in Anlehnung an den historischen Ursprung. Zusammen mit dem angrenzenden Gelände der ehemaligen Gasanstalt, heute Spreehöfe, ist das Areal Heimat für verschiedene Gewerbe-, Freizeit- sowie Kultureinrichtungen.

Bullenbahn Lok verlässt Betriebshof Nalepastraße
Straßenbahnen Betriebshof Nalepastraße
Betriebshof Nalepastraße Bullenbahn
Die massige Gestalt der Loks verschafft der Industriebahn den Spitznamen Bullenbahn. Betriebshof Nalepastraße, 1992. | Wassen, CC BY-SA via Wikimedia Commons

Bullenbahn Oberschöneweide

Depot der Industriebahn

Achtung: Der Bulle kommt! Von 1890 bis 1996 rumpeln Güterzüge langsam durch die geschäftige Wilhelminenhofstraße und weiter über das weit verzweigte Gleisnetz der Bullenbahn. Die Güterbahn bedient die unzähligen Fabriken entlang der Spree. Von Niederschöneweide bis nach Rummelsburg reichen die Gleise. 1957 verbindet die 13 Kilometer lange Bahn etwa 30 Unternehmen.

Ab 1901 wird die Bahn standesgemäß für die Elektropolis elektrisch betrieben. Woher die Bullenbahn ihren Namen hat, ist nicht ganz sicher. Entweder weil zunächst Pferde und Ochsen die Güterwagen ziehen oder weil Bulle der Spitzname der schweren AEG Elektrolokomotiven ist. Der einstige Betriebsbahnhof der Bullenbahn wird heute von der Straßenbahn genutzt.

Wo einst die massigen Güterwagen ratterten, verläuft heute ein gut ausgebauter Radweg durch die Wilhelminenhofstraße.

Siemens Hauptverwaltung
Siemens Hauptverwaltung Ehrenhalle Historisch 1928
Siemens Hauptverwaltung Nonnendamm
Siemens Hauptverwaltung Fassade
Die Architektur der Siemens-Hauptverwaltung stammt von Karl Janisch. | © Siemens AG

Siemens-Hauptverwaltung

Strategiezentrale des Weltkonzerns

Auch Siemens hat einmal klein angefangen. Die „Telegraphenbauanstalt Siemens & Halske“ gründet sich 1847 in Kreuzberg, in einer kleinen Hinterhof-Werkstatt nahe des Potsdamer Platzes. Die Zahl der Beschäftigten steigt ebenso rasch wie der Bedarf an Produktionsflächen. Ende des Jahrhunderts ist Siemens & Halske ein weltweit erfolgreiches Unternehmen im Bereich der Elektroindustrie mit Produktionsflächen in Charlottenburg, damals noch eine selbstständige Stadt.

Unweit des Gründungsorts entsteht 1901 der Verwaltungssitz der Firma in direkter Nachbarschaft zu Reichstag, Botschaften und Anhalter Bahnhof. Die eigenen Fabriken rücken allerdings immer weiter in die Ferne. Ende des 19. Jahrhunderts verlagert sich die Produktion von Charlottenburg nach Spandau. Und die Hauptverwaltung?

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1910 beginnt der Bau eines neuen Verwaltungsbaus in Spandau. Die eigenständige Stadt Spandau legt großen Wert darauf, die Zentrale eines so bedeutenden Unternehmens und Steuerzahlers auf ihrem Gebiet zu wissen. 1914 benennt Spandau den Ortsteil „Nonnendamm“ offiziell in „Siemensstadt“ um.

Das neue Gebäude im Zentrum der Siemensstadt ist größer als jedes Berliner Rathaus. Entlang der fünf Kilometer langen Korridore haben 5.000 Mitarbeitende in der Siemens-Hauptverwaltung Platz. Die meisten von ihnen arbeiten in sogenannten Bürosälen für maximal 100 Personen. Komfort und Einzelzimmer bleiben Aufsichtsrat und Vorstand sowie den wichtigsten Führungskräften im Ostflügel des Gebäudes vorbehalten.

Im Ersten Weltkrieg dienen Teile des kurz zuvor fertiggestellten Gebäudes als Lazarett. Erst danach ziehen die Zentralabteilungen des Konzerns ein. „Konstruktions- und Rechnungsbureaus“ befinden sich im Westflügel des schlossähnlichen Gebäudes. Der Bau mit Mosaikhalle, Vortragssaal und Bibliothek stellt den architektonischen Wandel der Siemensarchitektur dar. Außen ist er von Karl Janisch im Stil des Historismus gestaltet. Die Architektur der Innenräume übernimmt hingegen Hans Hertlein in den 1920er-Jahren.

Im Regime der Nationalsozialisten verschiebt sich der Fokus des Siemens-Konzerns auf Rüstungsproduktion. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 verstärkt Rohstoffengpässe und Arbeitskräftemangel. Um genug Rüstungsgüter zu liefern, errichtet Siemens bis 1945 beinahe 400 Fabriken in besetzten Gebieten. Sowohl in den Fabriken auf besetztem Boden als auch in Siemensstadt müssen Frauen und Männer Zwangsarbeit leisten. Davon sind bis Kriegsende insgesamt über 80.000 Menschen betroffen.

Die unmittelbare Nachkriegszeit bringt dem Gründungsort einschneidende Veränderungen: Angesichts der Teilung Deutschlands und der politisch heiklen Lage verlegt der Konzern seinen Firmensitz zum 1. April 1949 von Berlin nach München. Berlin bleibt jedoch zweiter Firmensitz. Trotz enormer Schäden im Krieg verläuft die Produktion ab 1951 wieder in geregelten Bahnen. Bis Mitte der 1950er-Jahre hat sich das Unternehmen weitgehend von den Nachkriegsjahren erholt.

In der ehemaligen Siemens-Hauptverwaltung sind heute noch Siemens- Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter beschäftigt. Seit 2016 befindet sich das Siemens Historical Institute in dem Gebäude, das über einen Personentunnel mit dem gegenüberliegenden Dynamowerk verbunden ist. Hier produziert das Unternehmen bis heute Dynamos, einst erfunden von Werner von Siemens.

Seit März 2019 gibt es in einer umgebauten Lagerhalle auf dem Gelände des Dynamowerks einen Event- und Co-Working Space. Bis 2030 soll sich die neue Siemensstadt² zu einem Ort entwickeln, der Arbeiten, Forschen, Wohnen und Lernen neu denkt.

Die Siemens-Hauptverwaltung ist Teil unserer Publikation „Berliner Schriften zur Industriekultur“ Band 1.

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Außenansicht Riesenrad und Toilettenhäuschen
Innenansicht Zelt mit Tassenkarusell Spreepark Plaenterwald
Außenansicht Kuppel Spreepark Plaenterwald
Das bunte Riesenrad ist das Wahrzeichen des Spreeparks. | © bzi, Foto: Max Braun, 2020
Adresse

Kiehnwerderallee 1-3
12437 Berlin-Plänterwald

Spreepark Plänterwald

Eine wilde Tierfratze, einst die Einfahrt in einen Achterbahntunnel, verschwindet in dem Blätterdschungel, aus dem sie zu stammen scheint. Dinosauriermodelle aus Kunststoff zerfallen zwischen hohem Wiesengras. Ein rostiges Riesenrad knirscht im Wind. Der stillgelegte Spreepark im Plänterwald ist Berlins wohl bekanntester Lost Place. Immer neue Geschichten scheint dieser versunkene Ort an der Spree zu produzieren. Zigfach porträtiert in DDR-Fernsehserien oder investigativen Dokumentationen, selbst in Theaterproduktionen. Auch zwanzig Jahre nach Stilllegung noch vermarktet in Büchern, DVDs und Fanartikeln.

Zum 20. Jahrestag der Gründung der DDR 1969 soll es etwas Besonderes sein. In weniger als einem Jahr entsteht daher der erste und einzige Freizeitpark im sozialistischen Deutschland. Allerdings gibt es keine inländische Produktion von Fahrgeschäften. Deshalb kauft ein niederländischer Zwischenhändler die Anlagen für den VEB Kulturpark Berlin auf der ganzen Welt ein. Das Team vor Ort gestaltet sie anschließend „systemkonform“ um: BMW-Motorräder verlieren ihre Logos, Sputnik-Darstellungen ersetzen NASA-Raketen, der Astrojet wird zum Kosmosjäger.

1991 übernimmt der westdeutsche Schausteller Norbert Witte den Park und modernisiert ihn nach dem Muster westlicher Themenparks. Die ehrgeizigen Pläne der Spreepark Berlin GmbH scheinen aufzugehen, Ende der 1990er Jahre aber brechen die Besucherzahlen ein. Im November 2001 dreht sich das Riesenrad zum letzten Mal. Betreiber Witte schifft sich anschließend mit einem Großteil der Fahrgeschäfte nach Peru ein, verwickelt sich in Drogenschäfte, wird verurteilt. Der Spreepark versinkt im Dornröschenschlaf und lockt Abenteurer magisch an. Dutzende Internetvideos dokumentieren ihre Streifzüge durch die einsturzgefährdeten Anlagen. 2014, nach einem gelegten Großbrand, kauft schließlich das Land Berlin den Park lastenfrei zurück.

Inzwischen entwickelt die landeseigene Grün Berlin GmbH einen Freizeitpark neuer Art, in dem Kunst, Kultur und Natur zusammenkommen sollen. Das Konzept bezieht einige historische Anlagen mit ein, das alte Riesenrad soll sich schon 2024 wieder drehen. Es scheint, als sei die Geschichte des Spreeparks im Plänterwald noch lange nicht zu Ende erzählt.

Außenansicht Verladekran
Außenansicht Vaubeka Verladekran mit Spree
Außenansicht Vaubekakran Detail Führerhaus
Außenansicht Vaubeka Verladekran
Der Vaubeka-Kran wurde von den Vereinigten Berliner Kohlenhändlern (VAUBEKA) genutzt. | © bzi, Foto: Max Braun, 2020
Adresse

Teilestraße 3-8
12099 Berlin-Tempelhof

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Fahrradroute: Eisenbahn und Landebahn

VAUBEKA Portalkran

Größte historische Krananlage in Berlin

Schmucklose Hallen, Betriebshöfe, kleine Bürocontainer: Hier am Teltowkanal wächst der VAUBEKA Portalkran als monumentale Eisenfachwerk-Konstruktion in die Höhe. Nichts an der heutigen Szenerie lässt erahnen, welche Rolle die größte historische Krananlage Berlins einmal in der Geschichte der Stadt gespielt hat.

Im Winter 1948/49 wird hier fieberhaft Kohle umgeschlagen. Denn ohne Kohle wird die West-Berliner Bevölkerung diesen Nachkriegswinter nicht überstehen. Der Brennstoff kommt vom nahe gelegenen Tempelhofer Feld. Dort landen Flugzeuge der Alliierten im Minutentakt und fliegen über die sogenannte „Berliner Luftbrücke“ alles ein, was der Westen der geteilten Stadt während der „Berlin-Blockade“ zum Überleben braucht. Bereits im Juni 1948 hat die Rote Armee die Enklave West-Berlin von der Versorgung auf dem Land- und Wasserweg abgeriegelt. West-Berlin soll dadurch in die sowjetische Besatzungszone gezwungen werden.

Der Portalkran am Teltowkanal kann in acht Stunden 500 Tonnen Kohle auf Kanalschiffe, Güterwaggons und Lkws verladen. Er steht in dieser Zeit nur selten still. Die Hälfte der über die Luftbrücke eingeflogenen Kohlenmenge wird hier schnell und effizient in der Stadt verteilt. Der Portalkran ist somit ein wichtiges Scharnier der Berliner Luftbrücke. Er trägt mit dazu bei, dass die Sowjets die Berlin-Blockade im Mai 1949 ergebnislos abbrechen müssen.

1935 hatten die Vereinigten Berliner Kohlenhändler (VAUBEKA) den Verladekran errichten lassen. Die filigrane Ingenieurskonstruktion verbindet eine 122 Meter lange Verladebrücke mit zwei 22 Meter hohen Portalrahmen. Auf Schienen kann sich das gesamte Bauwerk 233 Meter parallel zum Kanal bewegen. Auf diese Weise gelangt sein Greifer an jede Stelle des Umschlagplatzes. Noch bis 1991 ist der VAUBEKA Portalkran im Dienst. Inzwischen ist er ein Denkmal für die frühe wirtschaftliche Bedeutung des Teltowkanals als Wasserstraße – und erinnert gleichzeitig an den schicksalhaften Berliner Winter 1948/49.

Außenansicht BEHALA Viktoriaspeicher
Außenansicht des Speichergebäudes mit Beschriftung BEHALA Viktoriaspeicher
Fassade BEHALA-Viktoriaspeicher
Das Gelände des Viktoriaspeichers liegt direkt an der Spree. | © bzi, Foto: Max Braun, 2020
Adresse

Köpenicker Str. 22
10997 Berlin-Kreuzberg

BEHALA Viktoriaspeicher

„BEHALA Viktoriaspeicher“ verkünden große Lettern an dem sechsgeschossigen Lagergebäude am Kreuzberger Spreeufer und verweisen damit auf seine wechselvolle Geschichte. 1878/80 entstehen dort mehrere Lagergebäude für die Victoria-Speicher Actien-Gesellschaft. 1905 zieht die ABOAG, die Allgemeine Berliner Omnibus-Aktien-Gesellschaft, mit ihrem Omnibusdepot auf das Gelände. Der Berliner Nahverkehr ist damals noch großenteils pferdegetrieben. Der Speicher wird also zu Garagen und Stallungen für über 500 Pferde umgebaut. Doch nur zwei Jahre später vernichtet ein Feuer die Gebäude fast vollständig.

Die Katastrophe prägt den Wiederaufbau des Architekten Franz Ahrens 1910-11. Ein moderner Skelettbau aus Eisenbetonteilen soll den Neubau brandsicher machen. Dort lagern nun wieder loses Getreide und Hülsenfrüchte in Säcken. Im Jahr 1928 übernimmt die städtische BEHALA als Eigentümerin. Sie vermietet den Speicher bis heute als Lagerfläche an Gemüsehändler und Altpapierverwerter.

Zuletzt scheiterte 2014 der Versuch, das Areal durch Verkauf an Investoren grundlegend neu zu entwickeln. So kann man bis heute an dem Fassadenraster aus Eisenbetonelementen und ausgemauerten Segmenten ablesen, wo im Inneren früher Getreidesilos und Sacklager untergebracht waren. Auch die typischen Lamellenfenster zur Dauerbelüftung sind bis heute erhalten. Ein anderes, dunkles Kapitel Geschichte hat jedoch keine Spuren am Gebäude hinterlassen: Von 1937-39 nutzt die nationalsozialistische Aktion „entartete Kunst“ das Areal um den BEHALA Viktoriaspeicher als Depot.