Blick auf den S-Bahnhof Westkreuz
Historischer Blick auf den Bahnsteig des S-Bahnhofs Westkreuz in 1929
Blick von oben auf den Bahnsteig des S-Bahnhofs Westkreuz | © Axel von Blomberg
Adresse

S-Bahnhof Westkreuz
Am Messedamm
Halenseestraße 28
14057 Berlin-Charlottenburg

Industriekultur erleben

Fahrradroute: Natur und Infrastruktur

S-Bahnhof Westkreuz

Der Messebahnhof

Richard Brademann ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Es sind die Jahre der „Großen Elektrisierung“ der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen. Zwischen 1924 und 1933 benötigen die städtischen Eisenbahnen Dutzende neue Bahnhöfe, Gleichrichter- und Schaltwerke. Brademann, Oberbaurat und Leiter eines Hochbaudezernats der Reichsbahn, lässt diese Gebäude errichten, die bis heute das Berliner Stadtbild prägen.

Auch der Bahnhof Westkreuz zeigt Brademanns sachlich-funktionalen Stil. Im Dezember 1928 als S-Bahnhof „Ausstellung“ eröffnet, soll er ein repräsentativer Zugang zum neuen Messegelände am Funkturm sein: Die Empfangshalle mit Oberlichtaufsatz ist großzügig bemessen, der hervortretende Stellwerkturm ist der damals höchste in Berlin. Rolltreppen verbinden die Gleisebenen von Ring- und Stadtbahn, die sich hier auf zwei Ebenen kreuzen.

Das Messegelände richtet sich nach Norden aus, weg vom Bahnhof „Ausstellung“. 1932 erfolgt deshalb die Umbenennung in „Westkreuz“ als Pendant zum Ostkreuz. Der neue Name betont die eigentliche Bedeutung der Station als Kreuzungsbahnhof, der lange gefehlt hatte. Bis 1928 mussten Fahrgäste der Ringbahn einen komplizierten Doppelumstieg über den Bahnhof Charlottenburg absolvieren.

Im März 1933 übermittelt Richard Brademann ein Schreiben an die Reichskanzlei. In der Hochphase der nationalsozialistischen Machtergreifung denunzieren er und weitere Mitverfasser darin Jüdinnen und Juden, Demokratinnen und Marxisten – Menschen, die in der gesamten Reichsbahn-Verwaltung beschäftigt sind. Brademann wird nach dem Krieg vom deutschen Staatsdienst ausgeschlossen. Er findet Beschäftigung beim Wiederaufbau in Jugoslawien und stirbt 1965 in West-Berlin.

Das S-Bahn-Netz ist nach dem Zweiten Weltkrieg ab 1947 wieder befahrbar. Der Betrieb der Ringbahn wird 1980 aus politischen Gründen eingestellt, der Bahnhof Westkreuz stillgelegt. Erst nach dem Fall der Berliner Mauer kann der Berliner Senat mit dem Wiederaufbau der Ringbahn beginnen. Der Bahnhof Westkreuz geht nach umfassender Sanierung 1993 wieder ans Netz. Für zwei der historischen Bauten aber kommt die Maßnahme zu spät: Empfangshalle und Stellwerkturm sind zu tief in den sandigen Boden gesackt und müssen abgerissen werden.

Schild am Eingang der BLO Ateliers
Eins der Ateliergebäude auf dem Gelände der BLO Ateliers
Eine Karte an einer Mauer zeigt die Position der verschiedenen Gebäude in den BLO Ateliers
Außenansicht der BLO Ateliers mit verschiedenen Pflanzen und einer Engelsstatue
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Erbaut
1891 - 1894

Bauherr
Königliche Eisenbahndirektion Berlin

Früher
Bahnbetriebswerk

Heute
BLO Künstlerateliers

Wo sich früher das Bahnbetriebswerk Lichtenberg Ost befand, sind heute die BLO Ateliers. | © bzi, Karsten Feucht
Adresse

Kaskelstraße 55
10317 Berlin-Lichtenberg

Kontakt

kontakt[at]blo-ateliers.de
Tel.: 030 55 66 93 93

Best of

Transport und Verkehr

Bahnbetriebswerk Lichtenberg Ost / BLO Ateliers

Wo einst riesige Dampflokomotiven repariert wurden, arbeitet und produziert heute eine der größten Gemeinschaften aus Künstlerinnen und Künstlern in Berlin. Nicht nur Bildhauerei und Malerei, sondern auch Fahrradbau, Mode, Theaterausstattung und Holz- und Metallarbeiten gehören zum Repertoire der Kunstschaffenden in den BLO Ateliers. In der ehemaligen Kantine finden regelmäßig Konzerte, Aufführungen, Vorträge und Ausstellungen statt.

In den 1860er-Jahren liegt Friedrichsfelde Ost noch außerhalb der Stadtmauern Berlins. Die königliche Eisenbahndirektion plant damals auf dem bislang unerschlossenen Gelände Gleisanlagen mit angeschlossenen Betriebswerkstätten zu bauen. Sie weiht das Bahnbetriebswerk Lichtenberg Ost (BLO) am 1. April 1894 nach dreijähriger Bauzeit ein. Anfangs ist es vor allem ein Umschlagplatz für Getreide und Vieh aus den östlichen Gebieten des Deutschen Reichs. Später kommen Kohletransporte aus Polen und der Ukraine dazu.

Im Zweiten Weltkrieg wird die Ostfront vom BLO aus mit Truppen und Kriegsmaterialien versorgt. Außerdem stehen hier Züge für Transporte in östlich gelegene Konzentrationslager bereit. Am 26. Februar 1945 greifen amerikanische Bomberpiloten das Bahnbetriebswerk an und zerstören es zu großen Teilen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg baut die Deutsche Reichsbahn das Bahnbetriebswerk allerdings nur teilweise wieder auf. Die DDR nutzt das Bahnbetriebswerk nun, um Züge für den Personenverkehr bereitzustellen. In den 1980er-Jahren werden die letzten verbliebenen Dampflokomotiven der DDR hier stationiert und zusammengezogen. In der BRD gibt es zu diesem Zeitpunkt bereits keine im Dienst stehenden Dampflokomotiven mehr.

Nach der Wiedervereinigung verschrottet die Deutsche Bahn die meisten Lokomotiven. Danach nutzt die Bahn die Gebäude des Betriebswerks als Lehrräume, Büros und für Schulungszwecke. Die letzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen im Juli 1999 das Gelände.

Im Februar 2003 entdecken Kunstschaffende das Gelände mit den verbliebenen Werkstatt-, Kantinen-, Büro- und Übernachtungsgebäuden und nutzen es als B.L.O. Ateliers. Der Lockkunst e.V. als Träger des Atelierprojekts schließt 2004 einen zehnjährigen Mietvertrag mit der Bahn ab, den sie 2014 um weitere zehn Jahre verlängert. Der Mietvertrag umfasst das 12.000 qm große Gelände mit 2.300 qm an nutzbarer Atelierfläche.

Kurz vor dem Auslaufen des Mietvertrags im Jahr 2024 spricht die Grundstückseigentümerin DB InfraGO eine Nutzungsuntersagung aus, da die Gebäude wegen grober Baumängel nicht mehr sicher sind. Nach intensiven Vertragsverhandlungen und mit Hilfe einer breiten politischen Unterstützung ist es dem Verein Lockkunst e.V. schließlich gelungen, den Mietvertrag zu verlängern. Der Verein ist für die Beseitigung der Mängel verantwortlich. Die Finanzierung erfolgt aus Eigenmitteln und Mitteln der Lotto-Stiftung.

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Bilck auf den Parkplatz des ehemaligen Kunheim-Geländes im Jahr 2023.Historische Aufnahme vom Eingang zum Werk Kanne aus dem Jahr 1951.
1951: Eingang zum Werk Kanne. 2023: Heute befinden sich andere Gewerke auf dem Gelände. | © Landesarchiv Berlin, Foto: O. Puhlmann; © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Chemie-Fabrik Kanne um 1880
Zeichnung des preußischen Militärt in den Farben "Berlin Blau"
Malerei: Wohnzimmer der Villa Kunheim in Berlin-Wannsee
Zeichnung der Schwefelsäurefabrik um 1880. | © Architekturmuseum TU Berlin, Inv. Nr. GK 302,011
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Schnellerstraße 141
12439 Berlin-Niederschöneweide

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Industriegeschichte Schöneweide

Chemie-Fabrik Kanne

In Ober- und Niederschöneweide etablieren sich im 20. Jahrhundert viele Produktionszweige. Dazu gehört beispielsweise die Produktion von Kabeln (KWO), Strom (Kraftwerk Oberspree), Autos (NAG), Traktoren (Stock Motorpflug) und ein führender Kassenblöcke- und Kinotickets-Produzent (Paragon). Ein weiterer wichtiger Zweig ist die chemische Produktion.

Die Fabrik Chemischer Produkte Kunheim & Co. Niederschöneweide legt den ersten Baustein 1871 und gehört damit zu einer der ersten und schließlich größten Firmenkomplexe in Schöneweide. Aufgrund seiner Lage am damaligen Rinnsal Kanne nennt der Volksmund das Unternehmen häufig Chemie-Fabrik Kanne. Im Adressbuch „Berlin und seine Umgebungen“ von 1899 ist Kunheim mit der Fabrikation von „Säuren und Salze, Ammoniak“ gelistet.

Die Firma stellt aus Cyanid die Farbe „Berliner Blau“ her, berühmt beispielsweise als Farbe der Militärkleidung Preußens. Die hochgiftigen Abfälle leitet das Unternehmen kurzerhand in die Spree ab, sehr zum Leidwesen der damals noch großen Naturflächen. Im Jahr 1900 erreicht daraufhin Dr. Erich Kunheim ein kaiserliches Schreiben mit Umweltauflagen, da die Bäume der Kaiserforste nahe Schöneweide leiden.

Gegenüber baut Erich Kunheim ab 1907 das Kohlensäurewerk Oberspree, das nun aus den chemischen Reststoffen der Fabrik Kanne Kohlensäure produziert. 1928 fusioniert das Unternehmen mit den Kali-Werken Sachsen-Anhalt, wonach der Name in die Kali-Chemie AG aufgeht.

Da die Erde mit Arsen, Cyanid, Quecksilber und Blausäure-Salz belastet ist, wird das Gelände 1993 als Altlast gekennzeichnet und daraufhin die Fabriken abgerissen. Das Kohlensäurewerk verschwindet 2007 nach fast 100 Jahren. Heute verwittert der Großteil des kunheimschen Geländes und ist eine Brachfläche. Überdauert hat lediglich das ehemalige Verwaltungsgebäude (im Foto nicht sichtbar). Im Verwaltungsbereich befindet sich heute wieder ein Farbhandel.

Blick auf die Rathenau Hallen, ehemals Schweinemästerei im TransformatorenwerkHistorische Aufnahme des VEB Transformatorenwerks, Eingang zum Werk mit Schweinemästerei.
1958: Blick auf das Transformatorenwerk mit Schweinemästerei. 2023: Heute nutzen verschiedene Gewerbe die Hallen. | Bundesarchiv, Bild 183-57649-0003 / CC-BY-SA 3.0; © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Blick in den Schweinestall der Transformatorenfabrik, 1951. Mann füttert Schweine.
Der Schweinestall der Transformatorenfabrik von außen, 1951.
Feierliche Umbenennung der Transformatorenfabrik in „Karl Liebknecht“
52 Schweine werden im Schweinestall der Transformatorenfabrik gehalten, 1951. | © SDTB, Historisches Archiv
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Wilhelminenhofstraße 83
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Industriegeschichte Schöneweide

Schweinemästerei in der Transformatorenfabrik

Die heutigen Rathenau-Hallen wechseln seit 1898 beständig ihren Namen. Zu dieser Zeit noch Maschinenfabrik Oberschöneweide genannt, gehören sie 20 Jahre später zur AEG und sind Teil der Transformatorenfabrik Oberschöneweide (TRO).

Ab 1945 untersteht das Werk der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD). Im Oktober 1950 schlägt ein Mitarbeiter vor, dass die Werkskantine eine eigene Schweinemästerei aufbaut. Unter anderem sollen so Küchenabfälle verwertet werden. Die Betriebszeitung des Werks für Fernsehelektronik „HF-Sender“ (Hochfrequenz-Sender) vom Oktober 1950 berichtet ausgiebig darüber. Der Vorschlag wird angenommen und die Mästerei erscheint schon im Folgejahr im Werksfotoalbum. Drei Jahre später gibt die TRO 100.000 (Ost-) Deutsche Mark für die Verbesserung des Mittagessens aus. Zu dieser Zeit beherbergt die neue Schweinemästerei 52 Tiere.

HTW Berlin Campus WilhelminenhofBlick auf die ehemalige Gummifabrik. Das Foto entstand zwischen 1922-44.
1922-1944: Blick auf die Gummifabrik. 2023: Lediglich die Gebäude im Hintergrund sind noch erhalten, heute Gebäude C der HTW Berlin. | © SDTB, Historisches Archiv; © bzi, Foto: Jannis Petersen
Zerstörte Gebäude auf dem AEG Gelände der KWO im Januar 1944
Zerstörte Gebäude auf dem AEG Gelände der KWO im Januar 1944. | © SDTB, Historisches Archiv
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Wilhelminenhofstraße 75A
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Industriegeschichte Schöneweide

AEG Gummifabrik

Die Fabriken auf dem Gelände des Kabelwerks Oberspree stellen von 1895 bis zur Wiedervereinigung unterschiedliche Produkte her, darunter Kabel, Kabeltrommeln, Gummi, Kupferdraht und Autos. Es ist nicht nur eines der ersten und größten Gelände in Oberschöneweide, sondern auch eines der wenigen, die über fast 100 Jahre hinweg eine durchgängige Produktion aufweisen.

Das Bild zeigt einen Teil der AEG Gummifabrik vor dem 27.01.1944. Alle Industriestandorte in Schöneweide haben sich in beiden Weltkriegen an der Kriegsproduktion beteiligt und fast alle Geländekarten ab 1943 zeigen Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Der Strukturwandel in Schöneweide ist auf dem Gelände sichtbar. Zerstörte Gebäude werden nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen. Marode Gebäude müssen wiederum in den 1990er-Jahren endgültig weichen. Schornsteine, Schienen und Kohle verschwinden. Dafür entstehen Grün- und Erholungsflächen. Das Land Berlin sucht ab den 1990er-Jahren nach neuen Möglichkeiten für das Gelände. Die riesigen Komplexe füllen sich wieder mit Leben, als am 1. Oktober 2009 die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) einzieht. Die ehemalige AEG Gummifabrik beherbergt heute Räume der Hochschule.

Autos parken vor dem ehemaligen und verfallenen Wohlfahrtsgebäude in der Wilhelminenhofstraße.Historische Aufnahme des Kulturhauses in der Wilhelminenhofstraße im Jahr 1958.
1958: Ansicht des Wohlfahrtgebäudes in der Wilhelminenhofstraße. 2023: Noch steht das Gebäude leer, doch erste Maßnahmen haben begonnen. | © Bundesarchiv 183-57649-0001, Foto: Novack; © bzi, Foto: Max Braun
Wohlfahrtsgebäude an der Wilhelminenhofstraße 1938
Waschraum im Wohlfahrtsgebäude 1938
Klubhaus VEB Transformatorenwerks
Das Wohlfahrtsgebäude an der Wilhelminenhofstraße 1938 | © SDTB, Historisches Archiv
Adresse

Wilhelminenhofstraße 66–70
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Industriegeschichte Schöneweide

Wohlfahrtsgebäude und Kulturhaus

Das markante, jedoch heute verlassene Kulturhaus in der Wilhelminenhofstraße 66–70 zieht unwillkürlich Blicke auf sich.

1911 gibt die Akkumulatorenfabrik AG (AFA) ein Gebäude in Auftrag, das als soziale Einrichtung für die Werktätigen dienen soll. Architekt Felix Lindhorst errichtet das Wohlfahrtsgebäude 1912–1913. Im Erdgeschoss befindet sich ein Umkleide- und Waschraum, der Speisesaal ist im Obergeschoss untergebracht. Erstmalig taucht das Gebäude 1913 im Geländeplan der AFA-Festschrift auf. Zu diesem Zeitpunkt bebaut die AFA auch den Großteil des übrigen Geländes.

Ab 1950 nutzt das Werk für Fernsehelektronik das Gebäude und benennt es um in Kulturhaus. Dort finden nun verschiedene Veranstaltungen statt.

Vergleichbar mit dem Kulturhaus ist das etwas weiter südlich gelegene Klubhaus des Transformatorenwerks in der Wilhelminenhofstraße 83–85. Hiervon ist heute nur noch der Eingangsbereich erhalten, das Gebäude aber ist modernisiert und aufgestockt.

Blick über die Spree mit blauem Himmel nach Oberschöneweide.Historische Aufnahme von 1923. Blick von Niederschöneweide nach Oberschöneweide über die Spree. Im Wasser fährt ein Motorboot, im Hintergrund rauchen die Schornsteine.
1923: Die Lärm- und Luftbelastung ist Anfang des 20. Jahrhundert hoch in Schöneweide. 2023: Heutzutage sind die Schornsteine nur noch Zierde am Himmel. | © Ullstein Bild, 10168327; © bzi, Foto:Thomas Rosenthal
Besuch der Senatorin für Stadtentwicklung und Umweltschutz Schöneweide
Besuch der Senatorin für Stadtentwicklung und Umweltschutz Dr. Michaele Schreyer, 1990 | © Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (03) Nr. 0368948 / Foto: Platow, Thomas
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Wilhelminenhofstr. 78
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Industriegeschichte Schöneweide

Lärm- und Luftbelastung

Die Bevölkerung Schöneweides hat bis in die 1990er-Jahre mit Luft- und Lärmbelastungen zu ringen. Das geht aus Studien hervor, die sich mit dem wiedervereinigten Berlin der 1990er-Jahre und seinen Herausforderungen beschäftigen. Ober- und Niederschöneweide sind wie viele andere Stadtteile auch staatlich geförderte Sanierungsgebiete. So werden bei einer Einwohnerbefragung Mitte der 1990er-Jahre unter anderem die schweren Transporte hervorgehoben, wodurch „die Erde bebt“. Auch der Rauchausstoß und Ruß durch die Schornsteine werden als besondere Belastungen betont (Anja Stichs „Wohngebietserneuerung unter Einbindung der Bewohner“, 2003).

Im Bild zu sehen ist die Centrale Oberspree, später Kraftwerk Oberspree. Der Bau beginnt 1895, zwei Jahre später geht das Kraftwerk in Betrieb. Dieses erste Drehstromkraftwerk Europas erstreckt sich entlang der Wilhelminenhofstraße, die noch immer eine wichtige Verkehrsachse Oberschöneweides ist.

Das Kraftwerk steht heute noch am selben Ort, allerdings in neuer Funktion. Obwohl es schon 1933 die Produktion einstellt, ist das Schornsteinpanorama heute ein Symbol des Wandels: Vom einstigen Stern der Produktion zum Verschmutzer. Doch nicht nur die Industrie verschmutzt die Luft im Ort, denn 1995 heizen noch 85% der Wohnungen in Oberschöneweide mit Kohle („Wohngebietserneuerung“, S.102).

Leere Straße neben der ehemaligen Bärenquell-Brauerei in Schöneweide.Lagerplatz der Trommelfabrik im Jahr 1990
1990: Lagerplatz der Trommelfabrik. 2023: Heute befindet sich eine Straße auf der ehemaligen Lagerfläche. | © SDTB, Historisches Archiv; © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Eingang zur KWO Trommelfabrik
Eingang zur Trommelfabrik, 1990 | © SDTB, Historisches Archiv
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Schnellerstraße 135–136
12439 Berlin-Schöneweide

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Industriegeschichte Schöneweide

Trommelfabrik

Auf dem Gelände zwischen Treskowbrücke und Stubenrauchbrücke sind um 1900 drei Großbetriebe ansässig. Die Borussia-Brauerei (später Schultheiss-Brauerei) ab 1882, die Tuchfabrik Müller entsteht noch vor 1895, ab den 1920er-Jahren agiert sie als Vereinigte Märkische Tuchfabriken AG. Die Deutschen Messingwerke siedeln sich spätestens ab 1899 an und die Englische Gasanstalt ab 1906. Um 1929 kommen die Metallwerke Kretzer und Busse hinzu, die Gasanstalt weicht den wachsenden Messingwerken. Im Zweiten Weltkrieg werden die Metallwerke Kretzer und Busse nahezu vollständig zerstört, ebenso die Tuchfabriken sowie der Arbeiterwaschraum der Messingwerke.

Auf dem freigewordenen Platz siedeln sich nun die Kabelwerke Oberspree (KWO) direkt neben der Schultheiss-Brauerei an. Zuvor hatten sie Kabeltrommeln auf dem Werksgelände in Oberschöneweide produziert. Nach Schäden im Zweiten Weltkrieg verlegen sie die Trommelproduktion nach Niederschöneweide. Für die nächsten fast 50 Jahre entsteht hier ein dominierender Ort der Kabeltrommelproduktion.

Ab 1992 wird das riesige Gelände mit seinen verschiedenen Fabriken nach und nach abgerissen. 2006 stehen als letzte noch die Ruinen der Trommelfabrik, ehe auch diese abgerissen werden. Heute befinden sich auf dem Gelände ein Möbelhaus und ein Sporthandel. Nur das benachbarte Areal der ehemaligen Brauerei besteht noch heute und erleichtert das Verorten von historischen Fotos der Trommelfabrik.

Das Kraftwerk Oberspree in der Wilhelminenhofstraße. Das einsitige Casino verfällt.1923 streiken Arbeiter vor dem Casino des Kraftwerks Oberspree
1923: Die Belegschaft des KWO versammelt sich beim Streik am 03.11.1923 vor der Kantine. 2023:Blick auf die heutige Fassade des Gebäudes. | © Ullstein Bild, 10168328; © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Kantine AEG KWO, Industriesalon Schöneweide
Borsig Kantine Speisesaal Tegel
Borsig Kasino Tegel Billard
Im Giebel des Speiselsaals wacht eine Galionsfigur über die Belegschaft. | © Industriesalon Schöneweide, ohne Jahr
Adresse

Wilhelminenhofstraße 76
12459 Berlin-Oberschöneweide

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Kantine Kabelwerk Oberspree

Die AEG errichtet für ihre Belegschaft des Kabelwerks Oberspree 1899 eine Kantine. Diese tritt in historischen Dokumenten auch als Casino auf, was die Bezeichnung als allgemeiner Pausenort bestärkt, der nicht nur zum Essen da ist.

Typisch ist die Raumtrennung zwischen Werks- und Beamtenkasino. Die Raumtrennung der AEG-Kantine ist nur noch auf Architekturzeichnungen und Karten dokumentiert. Als Vergleich lohnt der Blick auf andere Betriebe in Berlin. Zum Beispiel die Borsig-Werke in Tegel: Das abgetrennte Beamtencasino etwa hat ein Billardzimmer sowie eine Bibliothek für die Beamten, also Personen in Leitungspositionen. Die übrige Belegschaft muss sich hingegen mit einem großen Speisesaal abfinden.

Die Speisesäle sind geprägt vom Stil der jeweiligen Firmenästhetik. Bei Borsig sind beispielsweise die großen runden Stahlträger unverkennbar. Im Speisesaal der AEG-KWO-Kantine hingegen steht die Galionsfigur der AEG hoch oben im Giebel und wacht über die Belegschaft.

Ehemalger Umschlagplatz in Niederschöneweide mit Blick auf die SpreeHistorisches Foto um 1955: Umschlagplatz in Niederschöneweide
1960: Umschlagplatz mit Kai am Spreeufer. 2023: Heute wächst Gras auf der ehemaligen Lagerfläche. | © SLUB/Deutsche Fotothek, Foto: Richard Peter (junior); © bzi, Foto: Thomas Rosenthal
Schwarz-weiß Bild um 1955. Ein Arbeiter am Umschlagplatz in Schöneweide verlädt Ziegelsteine mit einem Kran an der Spree.
Schwarz-weiß Foto um 1955. Ziegel werden von einem Kran in die Spree herabgelassen und genässt.
Ein Arbeiter hilft bei der Ziegelverladung. | © SLUB/Deutsche Fotothek, Foto: Richard Peter (junior), um 1955
Adresse

Schnellerstraße 88-90
12439 Berlin-Niederschöneweide

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Industriegeschichte Schöneweide

Umschlagplatz Niederschöneweide

1895 eröffnet das Restaurant Kyffhäuser am Ufer der Spree in Niederschöneweide. Die beliebte Gaststätte hat sogar einen eigenen Anlegeplatz für Ausflugsdampfer. In Karten ist das Gelände östlich des Restaurants ab 1905 als Ablage markiert. Schöneweide wandelt sich zu dieser Zeit von einem Ausflugsziel zur Industriestätte. Ein „Lageplan […] der Grundrenten Gesellschaft an der Oberspree Berlin“ von 1895 zeigt zwölf Anlegestellen in Schöneweide. Ein Großteil davon dient damals den wachsenden Produktionsstandorten. Doch nicht nur Güter wie Kupfer und Kohle verkehren auf der Spree. Bis zum Bau des Kaiserstegs 1900 muss die Belegschaft der Fabriken täglich mit Fähren über den Fluss setzen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg betreibt der VEB Montagebau Berlin (MBB) den Ablageplatz. Ab nun trägt er offiziell den Namen Umschlagplatz beziehungsweise Zwischenlager. Ab den 1950er-Jahren ergänzt ein Turmdrehkran das Gelände.

Am 1. Januar 1976 fusionieren der VEB Montagebau und VEB Dynamo-Bau Berlin (DBB) zu VEB Spezialhochbau Berlin mit Zentrale in Berlin-Lichtenberg. Heute ist das Gelände des Umschlagplatzes in Niederschöneweide zur Hälfte von einem Getränkehandel und einem Discounter bebaut. Die andere Hälfte ist eine große Grün- und Brachfläche, die nur mithilfe von Fotos an die ehemalige Betriebsamkeit erinnert.